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STÉPHANE HAFFNER
Akrobat, Showrunner, Model
15. Oktober 2019

STÉPHANE HAFFNER

Les Farfadais ist eine der spannendsten Akrobatik- und Dance Companys Europas. Gründer und Choreograf Stéphane Haffner hat seine Leidenschaft für die darstellenden Künste schon früh entdeckt. Sein Unternehmen, das heute Künstlern aus aller Welt ein Zuhause bietet, ist allerdings nur aus der Not heraus entstanden.

DU BIST JETZT SCHON ZIEMLICH LANGE ALS KÜNSTLER UND MANAGER UNTERWEGS. WANN HAST DU DEIN TALENT FÜR DIE AKROBATIK ENTDECKT?

Ich wurde in Ostfrankreich geboren. Meine Mutter ist Französin, mein Vater hat französische und Schweizer Wurzeln. Als ich drei Jahre alt war, zogen wir nach Zürich, weshalb ich auch ein bisschen Deutsch spreche. Mit sechs Jahren habe ich begonnen, Gymnastik zu trainieren. Nach der Scheidung meiner Eltern bin ich mit meiner Mutter nach Italien gezogen, habe das Training dort aber weitergeführt und wurde irgendwann Teil der italienischen Nationalmannschaft.

 

WIE KAM ES DANN ZUR GRÜNDUNG DEINER COMPANY LES FARFADAIS?

Nach meinem Schulabschluss bin ich zu meinem Vater nach Paris gezogen. Dort habe ich dann Modedesign studiert. Ich wollte aber nicht länger bei meinem Vater wohnen, sondern meine eigene Wohnung haben. Ich habe also beschlossen, Geld mit Straßenkunst zu verdienen. Am ersten Tag habe ich innerhalb von zwei Stunden knapp 500 Euro verdient. Am Anfang habe ich mir all das gegönnt, was ich mir zuvor nicht leisten konnte: ein schönes Apartment im Zentrum von Paris, einen riesigen Fernseher, ein Fahrrad. Drei Jahre später hatte ich außerdem eine ganze Menge Geld gespart. Gleichzeitig war mein Studium beendet und eigentlich hätte ich nun meinen Wehrdienst in Italien absolvieren müssen. Es gibt aber ein Gesetz, das besagt, dass jeder vom Wehrdienst in Italien befreit ist, der in einem EU-Land eine Festanstellung hat. Ich habe also kurzerhand ein Unternehmen gegründet und mich selbst Vollzeit angestellt. Und so ist Les Farfadais entstanden. Heute haben wir über 120 Künstler.

DEIN BRUDER IST AUCH TEIL DER COMPANY.

Die Company war gegründet und es gab bereits einige Aufträge, als man mir einen Gig bei einer italienischen TV-Show angeboten hat. Mein Bruder hatte zu dieser Zeit das gleiche Problem wie ich damals und suchte nach einem Weg, den Wehrdienst zu umgehen. Ich habe ihm also angeboten, die Events und Auftritte der Company zu koordinieren, während ich in Italien die TV-Produktion abwickele. Als Industriedesigner ist er heute vor allem für die Geräte und Maschinen verantwortlich, die wir für die Shows brauchen, während ich die Choreografien und Kostüme entwerfe.

 

DU HAST EINIGE EINZIGARTIGE ACTS IN DEINEN SHOWS. WO HAST DU ALL DIESE KÜNSTLER GETROFFEN?

Die meisten Leute kontaktieren uns über Social Media oder über unsere Website. Dann müssen sie uns ein Video von ihrem Act schicken und wir entscheiden, ob wir sie live sehen wollen. Natürlich gibt es auch Künstler, die wir über Freunde oder Acts, die bereits Teil unserer Shows sind, kennenlernen. Viele unserer Mitarbeiter kommen aus dem Ballett – vor allem die Jungs. Flexibilität ist für diesen Job wahnsinnig wichtig.

 

DU SELBST SAGST, LES FARFADAIS SEI EINE NEUE ART DES ZIRKUS. WAS UNTERSCHEIDET EUCH DENN VON KLASSISCHEN ZIRKUSAUFTRITTEN?

In einem normalen Zirkus hat jeder Act seinen Platz und taucht vielleicht am Ende einer Aufführung noch einmal auf. Bei uns sind die Künstler Teil einer Geschichte, die sich durch die gesamte Show zieht. Sie treten also nicht nur einmal auf, sondern sind immer wieder auf der Bühne und müssen verschiedene Choreografien lernen. Das Konzept von Les Farfadais ist näher an einer Dance Company als an einem Zirkus.

Foto: David Vance

DU BIST NICHT NUR AKROBAT UND SHOWMANAGER, DU HAST AUCH SCHON HÄUFIG ALS MODEL GEARBEITET – MEIST BIST DU DABEI SPLITTERFASERNACKT. WÜRDEST DU DICH ALS EXHIBITIONISTEN BEZEICHNEN?

Als Performer gehst du auf die Bühne mit dem Wunsch, dass dir die Leute zusehen bei dem, was du tust, und das im besten Falle auch noch gut finden. Künstler oder Akrobaten sind also natürlicherweise auch Exhibitionisten.

 

AUF WELCHE ACTS BIST DU BESONDERS STOLZ?

Ich arbeite gern mit und im Wasser. Wir haben einen Act, der in einer Badewanne spielt, und einen riesigen Wasserfall. Das Wasser auf dem Körper und das Licht, das es reflektiert, macht jeden Act ein klein wenig magischer.

 

DU REIST JEDES JAHR EINMAL UM DIE WELT. WO IST DEIN ZUHAUSE?

Mein Mann und ich verbringen den Sommer in Barcelona und den Winter in Florida. In Barcelona haben wir ein Trainingscamp für die Company, und als Partner eines großen Kreuzfahrtveranstalters sind wir sowieso ständig in Miami.

 

WAS MACHT DIR BESONDERS VIEL SPASS, WENN DU GERADE MAL NICHT ARBEITEST?

Ich habe großen Spaß am Modeln. Innerhalb der Company bin ich für so viele Dinge verantwortlich: Ich bin Künstler, Manager, Choreograf. Als Model kann ich mich voll und ganz auf diese eine Sache konzentrieren und muss mir keine Gedanken über Zeitpläne oder Buchungen machen.

 

WENN ES MIT DER KARRIERE ALS PERFORMER NICHT GEKLAPPT HÄTTE, WAS WÜRDEST DU HEUTE TUN?

Was mich schon immer fasziniert hat, war die Arbeit als Ozeanologe. Letztes Jahr habe ich meinen Schein als Tauchlehrer gemacht. Als Nächstes möchte ich bei der Walforschung aktiv mitwirken und habe auch schon ein Team von Forschern gefunden und kontaktiert. /// www.farfadais.com

 

Interview: Felix Just

15. Oktober 2019 Culture m #57 zum mate.style.lab