SJARD ROSCHER
2013 noch sagten die Ärzte ihm nach einem schweren Unfall, dass er nie wieder Kraftsport machen könne. Heute ist Sjard Roscher Model, Fitness- und Motivationscoach und erfolgreicher Autor. Wir haben mit dem „New Body Award“-Preisträger über Fitness-Mythen, Diäten und den inneren Schweinehund gesprochen.
WIR HABEN UNS VOR DREI JAHREN BEIM DREH DES MATE MODEL TALKS FÜR DEN YOUTUBE-KANAL VON MATE KENNENGELERNT. SEITDEM IST IN DEINEM LEBEN EINIGES PASSIERT. DEIN BUCH „DIE FITNESS FIBEL“ IST ZUM BESTSELLER AVANCIERT, DU HAST DEINE MODELKARRIERE WEITER VORANGETRIEBEN UND WURDEST IM OKTOBER 2017 MIT DEM NEW BODY AWARD VON MCFIT MODELS AUSGEZEICHNET. WIE GEHT’S DIR?
Mir geht es sehr gut. Für mich ist es gerade eine spannende Zeit. Ich bin sehr froh darüber, dass ich das machen darf, was ich liebe. Dass ich von meinem Hobby leben kann und auch die Gelegenheit habe zurückzugeben.
HAST DU DAMIT GERECHNET, DEN AWARD ZU GEWINNEN?
Überhaupt nicht. Ich hab es mir natürlich gewünscht, aber im Herzen bin ich eben immer noch der kleine Junge aus dem Dorf. Dieses Leben als Model ist für mich noch immer sehr aufregend, auch wenn langsam Routine reinkommt. Für mich ist der Award vor allem ein Zeichen dafür, dass das, was ich mache, das Richtige ist.
SO RICHTIG DURCHGESTARTET BIST DU DAMALS MIT DER VERÖFFENTLICHUNG DER „FITNESS FIBEL“, DIE AUF AMAZON LANGE ZEIT DIE BESTSELLER-LISTE IN DER KATEGORIE „SPORT & FITNESS“ ANGEFÜHRT HAT. WAS UNTERSCHEIDET DEINEN RATGEBER VON ANDEREN GUIDES?
Was mich von vielen anderen Autoren im Sportbereich unterscheidet, ist der lange Kampf, den ich im Vorfeld bestreiten musste. Ich habe ganz viel ausprobiert und musste erst lernen, was nicht funktioniert oder was falsche Versprechungen sind. Oft werden entscheidende Aspekte des Trainings weggelassen. Dass es auch mal wehtut zum Beispiel, obwohl das ein entscheidender Hebel für ein erfolgreiches Bodyshaping sein kann. Im Unterschied zu anderen Autoren nehme ich da kein Blatt vor den Mund. Manchmal muss man eben Scheiße fressen. Ich schreibe außerdem nur über Techniken, die ich selbst ausprobiert habe und die wirklich funktionieren.
WAS SIND DIE GRÖSSTEN FITNESS-MYTHEN?
Einer der größten Mythen ist die Regel, nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate zu essen. Das ist völliger Blödsinn. Man muss sich die Energiebilanz des gesamten Tages ansehen und nicht nur die nach 18 Uhr.
GIBT ES TYPISCHE ANFÄNGERFEHLER, DIE DU BEI ANDEREN IMMER WIEDER BEOBACHTEST?
Viele Leute unterschätzen das Kalorienzählen. Zunächst muss man sich natürlich fragen: „Was will ich erreichen?“ Wenn das zum Beispiel ein Sixpack und ein Fettanteil von 9 Prozent ist, landet man in einem Gebiet, das man nicht mehr durch Zufall erreicht. Dann braucht man Strategie und Planung. Planung heißt in diesem Fall, dass man seine Kalorienaufnahme im Griff hat. Ein zweiter ganz typischer Fehler, den ich oft beobachte, ist, dass sich Anfänger an den Trainingsplänen von Bodybuildern orientieren. Man nennt das auch Bro-Split oder Fünfer-Split. Das bedeutet, dass man sich montags die Brust zerballert, dienstags macht man dann Rücken, mittwochs Beine und so weiter. Wenn man sich die Proteinbiosynthese anguckt, ist das für Natural-Athleten totaler Unsinn. Wir gehen ins Training und setzen einen Reiz. Dann passiert ungefähr 36 bis 48 Stunden etwas im Muskel. Danach müsste idealerweise ein neuer Reiz kommen. Bei „unterstützten“ Athleten hält die Proteinbiosynthese bis zu sieben Tage an, was es diesen Athleten erlaubt, ein unheimlich hohes Volumen beim Training zu schaffen und dieses in größeren Abständen zu absolvieren. Und um noch einen dritten Punkt anzubringen: Trainingserfolge tracken. Das ist ungemein wichtig und viele Anfänger vergessen das. Der Nummer-eins-Faktor beim Muskelaufbau ist die progressive Überladung der Muskulatur. Deshalb sagt man auch, dass das Training nie leichter wird. Wenn man also in einer Woche beim Bankdrücken 50 Kilo und fünf Wiederholungen schafft, dann sollte das Ziel in der nächsten Woche sein, sechs Wiederholungen zu machen. Und dafür ist es wichtig, Resultate aufzuschreiben. Ich könnte dir jetzt meine Notizen aus dem Februar raussuchen.
VIELEN MÄNNERN FÄLLT ES ÜBERHAUPT NICHT SCHWER, REGELMÄSSIG DAS FITNESSSTUDIO ZU BESUCHEN, OFT IST DAS GRÖSSERE PROBLEM DIE ERNÄHRUNG. BEDEUTET GUT AUSSEHEN ZU WOLLEN ZWINGEND AUCH VERZICHT ODER STRENGE DIÄT?
Dazu muss man die Thematik aus einem weiteren Winkel betrachten. Wenn ich von Ernährung spreche, dann versuche ich einen Spagat zu schaffen aus gesunder Ernährung, Kraft für den Alltag und genügend Energie, um seine körperlichen Ziele zu erreichen. Natürlich kann man jedes dieser Ziele auch alleine erreichen, ohne die anderen. Gut aussehen und gesund sein sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Zwei entscheidende Faktoren für ein erfolgreiches Training sind die Kalorienbilanz und die Makronährstoffverteilung. Die Makronährstoffverteilung bedeutet die Aufnahme von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten. In der Theorie ist es egal, woher diese kommen, ob aus Reis, Gemüse oder Schokomüsli.
WAS ISST DU DENN SO DEN GANZEN TAG? SCHOKOMÜSLI?
(lacht) Müsli ist tatsächlich eines meiner Lieblingslebensmittel.
MIT ODER OHNE MILCH?
Mit Milch.
ALSO IST MILCH GAR NICHT SO SCHLECHT?
Milch ist gut. Es ist eines dieser Lebensmittel, die immer mal wieder in Verruf stehen. Da kommen wir jetzt ein bisschen ins Vegane. Man muss für sich entscheiden, ob man das trinkt oder nicht. An sich ist an Milch nichts verkehrt. Richtig, Milch ist eigentlich nur für Kälber gedacht und die enthaltenen Bakterien sind nicht gut für uns. Aber deshalb pasteurisiert man die Milch ja.
MITTLERWEILE FINDET MAN AUF AMAZON EIN GANZES DUTZEND BÜCHER VON DIR. WANN HAST DU DIE ALLE GESCHRIEBEN?
Das meiste sind Ratgeber, von denen ich den Großteil zwischen 2016 und 2017 geschrieben habe. Ich hab in dieser Zeit auch nichts anderes getan: geschrieben, recherchiert, optimiert, getestet, geschrieben, geschrieben, geschrieben.
IN VIELEN DEINER BÜCHER GEHT ES DARUM, ALTE GEWOHNHEITEN ABZULEGEN UND BESSER ZU FOKUSSIEREN. WAS LÄHMT UNS EIGENTLICH SO?
Was ich häufig beobachte, ist, dass dem Training die Konsequenz fehlt. Die Leute wollen gern was anfangen, bleiben dann aber nicht am Ball. Sie sind nicht bereit, für ein größeres Ziel mehr zu tun. Wir leben natürlich in einer Zeit von Social Media und Amazon. Mit einem Klick ist auf einmal alles da, egal ob das eine Playstation ist oder ein Date. Für bestimmte Dinge funktioniert das wunderbar und ich nutze diese Services selbst sehr gerne. Aber wenn es darum geht, den Traumkörper zu formen, dann ist das lange, harte Arbeit. Ich selber habe lange Zeit auf der Couch rumgelegen und darauf gewartet, dass jemand an der Tür klopft und sagt: „Hier hast du eine Million, einen schönen Körper und ein gutes Leben.“ Das ist nicht passiert. Wann immer ich mit irgendetwas erfolgreich war, dann war das das Ergebnis von Konsequenz.
GIBT ES IRGENDWELCHE TRICKS? WAS RÄTST DU DEN LEUTEN, DIE ZU DIR KOMMEN UND SAGEN: SJARD ICH KRIEG EINFACH DEN ARSCH NICHT HOCH?
Es gibt diverse Motivationsstrategien. Der einfachste Trick ist, sich zunächst ein Ziel zu setzen. Viele Menschen haben Wünsche, aber kein konkretes Ziel. Den Unterschied zu erkennen, muss man lernen. „Ich möchte mehr reisen“ ist etwas, das ich sehr oft höre. Das ist aber noch kein Ziel, sondern nur ein Wunsch. Ein Ziel ist es zu sagen: Am 1. Juni fliege ich für sechs Wochen nach Thailand. Das ist erreichbar. Wenn es um den Körper geht, ist es genauso sinnvoll zu definieren, was ich eigentlich erreichen will. Ein Sixpack? O. K., dann weiß man, wo man hinwill. Außerdem muss man sich bewusst machen, dass man nicht ewig Zeit hat. Carpe diem und memento mori. Nutze den Tag und sei dir deiner Sterblichkeit bewusst. Lange bevor es überhaupt die Aussicht gab, dass ich mit Büchern erfolgreich sein kann oder auch nur einen Cent vor der Kamera verdiene, bin ich jeden Morgen aufgestanden und habe zu mir selbst gesagt: Heute lebst du wie ein Fitnessmodel. Nur heute. Aber das jeden Tag. Und das ist der Trick. Dann reichen schon drei Monate, um drastische Veränderungen zu erzielen.
DEIN ULTIMATIVER TIPP FÜR DEN MUSKELAUFBAU?
Im Ganzkörperstil trainieren und den Fortschritt notieren. Wenn man immer nur ein bisschen mehr schafft als beim letzten Training, ist man – selbst wenn man es nur als Hobby betreibt – in der Lage, relativ zügig eine kräftige Statur aufzubauen. /// www.sjardroscher.de
Interview: Felix Just
Schlagworte: Body, Interview, McFIT MODELS, Sjard Roscher, Sport