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PICK-UP A STAR …
Design
27. März 2019

PICK-UP A STAR …

Zugegeben, es ist nicht der allererste Pick-up. Im Grunde gab es schon immer Pick-ups von Mercedes-Benz – seit den 1930er-Jahren. In den 1960er- und 1970er-Jahren gab es einen heute lustig anmutenden Umbau der Baureihe W115, der allerdings lediglich für größere Einkäufe taugte und später von der Legendären G-Klasse abgelöst wurde.

Wie es Scheren so an sich haben, gehen sie immer weiter auseinander. So steigt auf der einen Seite die Nachfrage nach kleinen und sparsamen Autos, gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen einen Pick-up wünschen. Wir haben die Mercedes-Benz X-Klasse in und um Santiago de Chile testgefahren.

Schon lange steht nicht mehr der eigentliche Gedanke des Pick-ups im Vordergrund: eine Art kleiner Transporter mit viel Zuladung und der Möglichkeit auch jenseits befestigter Straßen zu arbeiten. In den USA sind Pick-Ups seit Jahrzehnten auch Statussymbol, und so wurden für den nicht amerikanischen Markt in den letzten Jahren unter anderem von Nissan und Volkswagen kleinere Geschwister eigener Pick-up-Modelle herausgebracht. Genau da schließt Mercedes-Benz nun an und entwickelt sich fast vollständig weg vom Nutzfahrzeug hin zum Komfort einer Limousine. In Zusammenarbeit mit Nissan wurde auf der Basis des Navarra die neue X-Klasse entwickelt. Blöde Besserwisser und Halbwissen-Hetzer behaupten ja, es sei ein Navarra mit Stern, was sich schon beim Einsteigen als falsch herausstellt. Starre, erprobte Bauteile, wie zum Beispiel der Rahmen wurden vom Navarra übernommen, weil es sinnlos erschien, das Rad neu zu erfinden. Die meisten anderen Komponenten wie Radaufhängung und Federung wurden dann jedoch von Mercedes entwickelt, sodass man ohne Vorwissen als Nutzer nie auf die Idee käme, der Wagen hätte irgendetwas mit dem Navarra zu tun.

In der Tat fährt sich der Pick-up fast wie eine Limousine. Das Interieur ist auf Mercedes-Niveau gearbeitet, Federung und Fahrwerk laufen weich auf und neben der Straße – etwas zu weich, wenn man ein Offroad-Feeling bei einem Pick-up erwartet. Nicht umsonst spricht man im Unternehmen ganz bewusst vom ersten Midsize-Pick-up der Oberklasse.

 

Ähnlich wie die X-Klasse hat sich auch Santiago de Chile neu erfunden. Da der südamerikanische Markt für Pick-ups einer der größten ist, plante Mercedes die Präsentation hier. Das Stadtviertel rund um den Gran Torre mit seiner Aussichtsplattform erlebte in den letzten Jahren eine Renaissance mit neuen Wolkenkratzern und „State of the art“-Hotels wie dem W. Auf einer Stadtrundfahrt wird uns erklärt, dass die jungen Chilenen mit Vorliebe in den vielen öffentlichen Parkanlagen „abhängen“ („and there they make out heavily“). Das Leben blüht und auch die nahe Zukunft meint es gut mit dem längsten Land der Welt, das sich von Norden nach Süden über fünf Klimazonen erstreckt: Chile hält die größten Vorkommen der Erde an Lithium, das zur Herstellung von Autobatterien benötigt wird und nach der sich die ganze Welt streckt. Selbst die X-Klasse wird es bald als Elektro-Pick-up geben. Die Nähe der Anden sorgt für eine einzigartige atemberaubende Skyline und Umgebung der Stadt, und genau da kann die X-Klasse auftrumpfen.

Das Navi, das als eine Art dickes iPad (Sicherheitsstandards!) in der Mitte des Armaturenbretts thront, führt uns von den befestigten Straßen schnell auf Schotterpisten zu einem der beeindruckendsten Weingüter der Erde. Ein norwegischer Milliardär schickte vor ein paar Jahren seine Önologen aus, geeignetes Land zum Anbau von Trauben zu finden, aus denen er „den besten Wein“ keltern wollte. Sie entschieden sich das Weingut circa vier Stunden südlich von Santiago anzusiedeln. Die Anlage wird geprägt von einem Wasserbassin, über das man auf angelegten Pfaden schreitet und das nicht nur optisch beeindruckt, sondern gleichzeitig Kühlung für die darunter befindlichen Kellerräume bringt. An die Räumlichkeiten für die Herstellung des Wein schließt sich ein großes, offenes Restaurant an, das für Ausflüge und Events mit guter Küche brilliert und einen Vorgeschmack auf das dazugehörige, etwa 500 Meter entfernte Hotel gibt, das sich unter einem Gehry-ähnlichen Dach aus Titan fast organisch in die Umgebung schmiegt. Mit nur 22 Zimmern ist man hier in der Villa Viña Vik unter sich: Optisch so großartig und einzigartig luxuriös, dass man das Gefühl bekommt, eine Eremitage der Neuzeit entdeckt zu haben. Als könne man Zeit kaufen, scheint sie hier stehenzubleiben.

 

Tut sie aber eben leider auch hier nicht, und so sind wir eine Stunde zu spät und verpassen das nächste Weingut und das Tasting, denn selbst der edelste Pick-up hat einen Nachteil: Wein gibt’s nur, wenn man in den Bus steigt. Aber auch das wird sich ja bald ändern, und dann reicht es, dass das selbstfahrende Auto nüchtern ist. Zum Wohl. /// www.mercedes-benz.de

 

Text & Fotos: Vasco Pridat