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FLORIPA!
DIE RIO-ALTERNATIVE
„Brasilien ist ein Land mit starkem sozialen Gefälle. Das heißt: Je weiter südlich man reist, desto höher wird im Schnitt die Lebensqualität bei gleichzeitig sinkender Kriminalitätsrate.“
12. November 2016

FLORIPA! DIE RIO-ALTERNATIVE

Brasilien ist das Paradebeispiel für eine idyllische Winterzuflucht. Die typischen Touristenmagneten Rio de Janeiro und Salvador da Bahia sind zwar weltweit bekannt und beliebt, aber auch entsprechend voll mit Besuchern. Das schlägt sich zum einen auf die Preise für Unterkünfte und Restaurants nieder, zum anderen zieht es Kleinkriminelle aus den benachbarten Favelas geradezu magisch an. Insbesondere Rio ist für seine Taschendiebe am Strand und auf den Straßen bei Anbruch der Dunkelheit bekannt. Wer als Gringo (Ausländer) auffällt, und das ist nicht schwierig zwischen den knackbraunen Brasilianern, der wird zum potenziellen Raubopfer. Eine tolle Alternative ist das weiter südlich gelegene Florianópolis, kurz Floripa. Diese Strandmetropole ist gerade mal eine Flugstunde von São Paulo beziehungsweise Rio der Janeiro entfernt. Inlandsflüge sind in Brasilien vor allem mit den Fluglinien Gol und Avianca günstig zu bekommen, wenn nicht gerade Schulferien, Feiertage oder der Karneval anstehen.

ENTSPANNTER ALS RIO

Floripa fasziniert allein schon durch ihre außergewöhnliche geografische Lage: Nur ein kleiner Teil der 400.000-Einwohner-Metropole befindet sich auf dem Festland. Der Großteil samt Zentrum liegt auf der über Brücken verbundenen Insel „Ilha de Santa Catarina“. Dadurch ist die Stadt von über vierzig Stränden umgeben und somit quasi von Natur aus ein Urlaubsparadies. Das haben viele Einheimische für sich entdeckt, aber auch Argentinier und Uruguayer kommen gerne nach Floripa, um ihre Ferien zu verbringen. Dennoch wirkt die Stadt „jungfräulicher“ und freundlicher als die Touristenhochburgen im Norden des Landes. Zudem ist das Publikum gehobener, denn die wachsende Mittelschicht, ebenso wie die Schickeria des Landes, zeigen sich lieber hier als anderswo in Brasilien – und das hat einen Grund. Brasilien ist ein Land mit starkem sozialen Gefälle. Das heißt: Je weiter südlich man reist, desto höher wird im Schnitt die Lebensqualität bei gleichzeitig sinkender Kriminalitätsrate. Floripa ist die Hauptstadt des stark europäisch geprägten Südstaates Santa Catarina, der mit besonders gutem wirtschaftlichen Wachstum glänzt. Anders als in vielen anderen Teilen des Landes fällt hier der Unterschied zwischen Arm und Reich nicht so extrem aus: Weniger Favelas und weniger Obdachlose auf den Straßen lassen bereits augenscheinlich auf mehr soziale Gleichheit schließen. Das lockt die Oberschicht des Landes an, denn hier kann man sorgloser zeigen, was man hat, ohne um sein Wohl zu fürchten. Davon profitieren auch Touristen, indem sie sich entspannter in der Stadt und an den Stränden bewegen können, als das beispielsweise in Rio der Fall ist.

SCHÖNER ALS IRGENDWO SONST

Das Stadtzentrum befindet sich unweit der Brücken zum Festland und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Ein Mix aus modernen Bauten und malerischer Kolonialarchitektur aus dem 18. Jahrhundert verteilt sich über das sogenannte Centro. Mittendrin trifft man auf den Park Praça XV de Novembro, der mit einem riesigen Baumwuchs begeistert. Um Centro herum versammeln sich kleinere Strände, die jedoch weniger zum Baden geeignet sind. Dafür lässt sich die Promenade entlang des Stadtzentrums wunderbar nutzen, um zu joggen und den Ausblick auf die stolzen Hängebrücken über der Meerenge zum Festland hin zu genießen.

Der Hauptgrund für eine Reise nach Floripa sind zweifellos die Strände. Einer der bekanntesten und schönsten ist Praia da Joaquina. Während die Wellen viele Surfer anziehen, ergötzt man sich am Anblick des nicht enden wollenden weißen Sandes, der in gigantische Dünen übergeht. Wer es nicht so sehr mit dem Surfen auf dem Wasser hat, der sollte es mal auf den Sanddünen probieren! Und für Sonnenuntergangsromantiker eignet sich eine kleine Felsenformation am Zipfel des Strandes. Von hier aus erlebt man ein farbenprächtiges Spektakel, das sich für immer ins Gedächtnis einbrennt. Außer im Stadtzentrum lässt sich Floripa schlecht zu Fuß erkunden. Wie fast überall im Land sind öffentliche Busse keine gute Wahl. Sie sind vollgepackt und langsam unterwegs. So kann eine Fahrt zum Strand locker eine Stunde verschlingen. Deswegen empfehlen sich Taxis, die wesentlich flotter sind, ohne den Geldbeutel allzu sehr zu strapazieren. Wer länger in der Stadt bleiben möchte und gerne auch das sehenswerte Umland entdecken will, der sollte sich lieber einen Mietwagen nehmen. Mit Europcar und Hertz ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Die Preise für eine Woche oder länger sind speziell bei kleinen Autos günstig und die Kraftstoffkosten insbesondere für den Bio-Sprit aus Zuckerrohr geradezu ein Schnäppchen.

 

Die krassen sozialen Gegensätze und die damit verbundenen kulturellen und politischen Herausforderungen Brasiliens sind in Floripa am wenigsten zu spüren. Hier kann das Land seine Faszination voll zur Geltung bringen und vollends begeistern. Die milde Mischung aus großer Naturvielfalt und einzigartiger Kultur sowie Spaß und Erholung machen Floripa zu einem der schönsten Orte des Landes. ///

 

Text & Fotos: Martin Lewicki

12. November 2016 Travel m #44 zum mate.style.lab