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FIFTY SHADES OF BLUE
Travel
23. Februar 2024

FIFTY SHADES OF BLUE

Auch wenn die Antarktis auf manche wie eine Eiswüste wirkt, überrascht der siebte Kontinent, je tiefer man ihn entdeckt, mit einer Vielfalt an Farbtönen von Grau über Silber bis Blau, die bislang jeden Besucher in ihren Bann gezogen haben. Der einzige Weg, diese unbewohnte und kaum bereiste Gegend zu entdecken, erfolgt mit einer Kreuzfahrt.

Startpunkt einer jeden Antarktisreise ist die südlichste Stadt der Welt, das im argentinischen Feuerland gelegene Ushuaia. Chile befindet sich an diesem Kreuzungspunkt der beiden Länder nur einen Steinwurf von der Hauptstadt der Provinz Tierra del Fuego mit ihren 100.000 Einwohnern entfernt. Während der Ausfahrt durch den Beagle-Kanal lohnt sich unbedingt der Blick zurück, für eine  spektakuläre Aussicht auf die südlichen Ausläufer der Anden, die sich an dieser Stelle nicht mehr von Norden nach Süden sondern von Westen nach Osten ziehen.

Nach zwei Tagen meist unruhiger See auf der Drake-Passage erreicht man die südlichen Shetland-Inseln und erlebt mit der ersten schneebedeckten Landsichtung einen bewegenden Moment und einen Vorgeschmacks auf die Großartigkeit der Antarktis. Hier weicht nun auch die nächtliche Dunkelheit dem Tageslicht im antarktischen Sommer endgültig. Der mitternächtliche Sonnenuntergang und der etwa eine Stunde darauffolgende Sonnenaufgang sind für den Biorhythmus eine kleine Herausforderung.

Nach insgesamt drei Tagen auf See wird südöstlich des Startpunktes die erste Zielmarke im Weddellmeer erreicht. Das Weddellmeer ist bekannt für seine Eisberge, die vom Schelf zum Teil in gigantischer Größe abbrechen und vom Wind mitunter bizarr geformt wurden. Ihre Sichtbarkeit beschränkt sich auf nur etwa zehn Prozent, denn der größte Teil liegt unter Wasser. Dabei muss der Kapitän des Schiffes ständig aufpassen, denn das sogenannte Rollen von Eisbergen kann aufgrund der Wasserverdrängung einen schnellen Positionswechsel notwendig machen. Die Risse, die dem Abbrechen von Teilen des Eisbergs vorausgehen, sind dabei als dumpfes Grummeln immer wieder hörbar. Es bleibt beeindruckend durch die teilweise schluchtenartigen Eiskanäle zu gleiten. In manchen Gegenden ist das Wasser derart flach, dass die Eisriesen auflaufen und wie angewachsen wirken. Eine Tour in dem so entstandenen und südöstlich der antarktischen Halbinsel gelegenen Eisberg-Friedhof ist ein Erlebnis besonderer Art, egal ob per Kayak, Standup-Paddling oder ganz ohne Kraftanstrengung mit dem Zodiac.

Auch an Land ist die Eindrucksvielfalt enorm, gesteigert durch das Gefühl tatsächlich seinen eigenen Fuß auf den unwirtlichsten, unbekanntesten und faszinierenden Kontinent zu setzen. Auf den Landausflügen mit streng limitierter Teilnehmerzahl ist es möglich der angstbefreiten Tierwelt so nahezukommen, wie sonst kaum möglich, wobei je nach Tiergröße ein Abstand von mindestens 5 Metern einzuhalten ist. Das dient dem Tierwohl und auch der eigenen Sicherheit. Denn selbst Exemplare der größten Art von Seelöwen können sich an Land und trotz ihres Gewichtes von bis zu vier Tonnen mit erstaunlicher Geschwindigkeit nähern. Vor allem in der Jahreszeit, in der sie ihre Haut wechseln und daher das Wasser meiden. Hat man erstmal zwei Männchen sich aufbäumen sehen, wird auf einen noch dichteren Kontakt wirklich kein Wert mehr gelegt.

Für Landgänge werden immer die bordeigenen Zodiaks benutzt. Je nach Wetterlage sind auf den marinen Stopps auch Paddling und Kayak-Touren möglich. Mit etwas Glück kann man dabei Wale während ihrer Suche nach Krill beobachten und auf Tuchfühlung gehen.

Die Temperaturen stellen insgesamt nur eine begrenzte Herausforderung dar. In der hochsommerlichen Sonne kann es angenehm warm werden, denn die Lufttemperatur beträgt zwischen null und fünf Grad. Der Kapitän passt die Route dem zu erwarteten Sonnenschein an. Bei Windstille kann man sogar im T-Shirt seinen Kaffee genießen oder einen der Außen-Whirlpools des Schiffes benutzen, wo die Bar kalte aber natürlich auch warme Getränke serviert. Die Scenic Eclipse ist für eine solche Expedition besonders geeignet, da sie eine Passagiergröße von knapp über 200 Gästen hat. Landgänge in der Antarktis sind auf 100 Personen beschränkt. Größere Schiffe dürfen dort zwar auch kreuzen, aber keine Expeditionen zu Fuß durchführen. Für diese Landgänge ist es nicht zwingend notwendig sich selbst vollständig auszustaffieren. Die Scenic Ecplise arbeitet mit einem auf Antarktisreisen spezialisierten Ausrüster zusammen, sodass man sich bis auf die Unterwäsche alles leihen kann. Der Vorteil ist die Lieferung direkt aufs Schiff und auch die Rückgabe erfolgt über den gleichen Weg. Spezielle Polarstiefel werden ohnehin vom Schiff gestellt, sowie ein regen- und wetterfester Parker, den man als Erinnerung in diese einmalige Reise geschenkt bekommt.

Eine weitere Variante auf Exkursion zu gehen ist mit einem der beiden hochmodernen Airbus H-130 Helikopter, von denen der andere immer als Ersatz zur Verfügung steht. Hierbei sieht man auch die großen Pinguin-Kolonien oder den höchsten Berg der Antarktis mit seinen 3.000 Metern Höhe. Da die Anzahl der Plätze sehr begrenzt ist, empfiehlt sich eine Anmeldung hierfür umgehend nach Boarding des Schiffes um einen der oberen Plätze auf der begehrten Warteliste zu erhalten. Auch sind die Wetterverhältnisse auf den Exkursionen nicht immer für Flüge geeignet und verkürzen dadurch dieses Angebot zusätzlich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich der Welt unterhalb der Oberfläche mit dem bordeigenen U-Boot, das bis zu 300 Meter tief tauchen kann, zu nähern.

Gleichzeitig lernt man von den kundigen Zoologen, Biologen oder auch Geologen viel Neues über die ferne Welt. So brüten manche Pinguine im Stehen, andere hingegen im Liegen, wofür sie an der Bauchdecke eine Aussparung für das Ei besitzen, das sie in Steinnestern bebrüten. Und wer einmal schlafende Seelöwen an Land „singen“ gehört hat, wird das ebenfalls nicht mehr vergessen. Der melodische Ton dient normalerweise der Unterwasserkommunikation zwischen den Tieren.

Auch die Flora ist interessanter, als man für eine Eislandschaft vermutet, wovon die Botaniker an Bord berichten. Die am meisten verbreiteten Pflanzen sind Flechten, Moose und Pilze, aber auch einige Gräser breiten sich durch den Klimawandel aus, vor allem in Südgeorgien, wovon die invasiven Arten allerdings nicht endemisch sind.

An Bord bleibt ebenfalls kein Wunsch – vor allem kulinarischer Art – unerfüllt. Der sehr große Yacht Club als Buffet-Restaurant ist das Herzstück des gastronomischen Angebotes für Frühstück und Mittag. Begleitet wird er durch drei weitere hervorragende Restaurants wie dem „Elements“ geprägt durch mediterran-italienische Genüsse mit Slow Food Einflüssen, dem „Koko‘s“ mit asiatischer Fusion-Küche sowie zusätzlicher Sushi-Bar und offenem Teppanyaki-Grill für acht Personen und dem „Lumière“ mit moderner französischer Küche sowie Champagner-Bar. Hinzu kommt noch das kleine Azure Café für Snacks und Süßem während des gesamten Tages. Sollte man sich für ein Dinner-Erlebnis der besonderen Art interessieren, ist eine Reservierung im Night Market mit seinen nur acht Sitzplätzen unerlässlich. Hier werden vom Souschef die Kreationen direkt vor dem Gast in sehr persönliche Atmosphäre gezaubert. ///

 

Text & Fotos: Hendrik Techel

23. Februar 2024 Travel m #69 zum mate.style.lab