-
-
-
 
EMISSIONSVERWERTUNG;
DIE ZUKUNFT
DER RECYCLINGINDUSTRIE?
Design
8. November 2016

EMISSIONSVERWERTUNG; DIE ZUKUNFT DER RECYCLINGINDUSTRIE?

135 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter: Nirgends sonst auf der Erde ist die Belastung mit Stickstoffdioxid so hoch wie in der Luft rund um die Oxford Street in London. Selbst bei einer Dauerbelastung mit den von der EU festgelegten 40 Mikrogramm pro Kubikmeter sind negative gesundheitliche Folgen nicht ausgeschlossen. In ganz Großbritannien werden jedes Jahr circa 30.000 Todesfälle aufgrund belasteter Luft vermutet. Auch, wenn die generelle Luftverschmutzung im gesamten London knapp oberhalb der Grenze zufriedenstellender Werte liegt, ist die Belastung in der City mehr als doppelt so hoch wie in den Randbezirken. Die Verschmutzung mit Stickstoffdioxid in London ist sogar so hoch, dass die Themsestadt bereits von der EU mit Sanktionen belegt wurde und die Stadt Pläne für die Reduzierung der Emissionen auf Baustellen vorgelegt hat. Der Großteil der Ausstöße geht auf Dieselmotoren zurück, und so sollen öffentliche Verkehrsmittel modernisiert und der Ausbau von Elektrozapfsäulen für E-Cars vorangetrieben werden. Autos mit Dieselmotoren sollen auf EU-Standards gebracht werden – oder der Halter zahlt extra Abgaben. Dabei könnte die Lösung des Problems vielleicht im Umbau und der Zweitnutzung von alternden Gebäuden liegen und womöglich so ein völlig neuer Industriezweig erschlossen werden.

Emissionsverwertung? Eine denkbare Zukunft, ginge es nach Architekt Chang-Yeob Lee. Seine Idee, dem BT oder Post Office Tower in London ein neues Außenskelett zu verpassen, das feinste Staubpartikel auffängt und unter anderem Kohlenstoff aus Autoabgasen recycelt, stellte er der Welt bereits vor zwei Jahren vor. Mit den Rekordwerten der Londoner Luft sind die Pläne des Absolventen des Royal College of Art allerdings so aktuell und nötig wie nie. Das Konstrukt scheint auf den ersten Blick wirr und willkürlich in seiner Form, die neue Fassade ist aber sehr wohl durchdacht. Zusammen mit Wind- und Strömungsexperten wurde sie konzipiert, möglichst viel Luft möglichst lange im „Inneren“ des Außenskeletts einzufangen. Die Oberfläche ist teilweise befeuchtet und zieht so Schmutzpartikel an. Außerdem sollen magnetische Felder dafür sorgen, dass sich Staub und belastete Luft auf der Oberfläche sammeln. Dort aufgefangen sollen sie zur Herstellung unter anderem von Methanol und damit Biodiesel verwendet werden. Bei durchschnittlich 150 Tonnen emittiertem Kohlenstoffdioxid pro Jahr würde das eine Menge von etwa 100 Tonnen Methanol ergeben. Eine andere Möglichkeit ist, die Luft vom Gebäude „reinwaschen“ zu lassen: Titandioxid reagiert wie ein Katalysator, setzt man es UV-Licht aus. Auf das Konstrukt aufgetragen oxidiert es organische Materie, vernichtet also Schmutzstoffe, und heraus kommen schnöder Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid. Noch ist eine so komplexe Idee wie diese – Lee spricht von Synth[e]tech[e]cology – Zukunftsmusik. In Hinblick auf das Wachstum von urbanen Gebieten ist die Entwicklung ähnlicher Lösungen für die Luftfilterung und Wiederverwertung von Emissionen sicher unumgänglich. ///

 

Text: Felix Just

8. November 2016 Design m #44 zum mate.style.lab