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DIE ZEITMASCHINE
mit der Eisenbahn durch Afrika
27. Juli 2019

DIE ZEITMASCHINE

Letztes Jahr erschien ein Artikel zum Thema „Heimat“ in der „Welt“, angeregt durch das neue gleichnamige Ministerium und die Diskussion, warum sich Menschen Ihrer Heimat so verbunden fühlen. Im Wesentlichen geht es um Gefühle, um die Erlebnisse und Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben und die sich zusätzlich in der Erinnerung verklären. So sehr wir die Errungenschaften der Technik, das Internet und die Hochgeschwindigkeitszüge aus unserer Welt nicht mehr wegdenken wollen, so verbinden wir doch mit Heimat und Vergangenheit eben jene Entschleunigung und Entspannung einer Zeit, als es den Begriff Burn-out noch nicht gab und als eine Reise etwas Besonderes und Aufregendes war! Wer nun den Drang verspürt, in die Vergangenheit fliegen zu wollen, um dort wieder reisen zu können, der braucht keinen Fluxkompensator, sondern nur ein Ticket nach Südafrika.

Einem Mann ist es zu verdanken, dass dort die Vergangenheit in ihrer ganzen Pracht blüht. 1989 gründete Rohan Vos den Rovos Rail. Angetrieben von einer großen Vision und unglaublichem Unternehmergeist schuf er den „Pride of Africa“ – den luxuriösesten Zug der Erde. Seitdem kaufte er alte, ausrangierte Eisenbahnwaggons und ließ sie in seinen eigenen Bahnwerkstätten zu prächtigen Zügen der Belle Époque umbauen.

Wer wie wir die Reise in Kapstadt beginnt, versammelt sich mit den anderen Passagieren in einem eigenen Terminal aus der guten alten Zeit. Die Koffer werden uns abgenommen, und mit einem Cap Classique stimmen wir uns, unterhalten von einer kleinen Gruppe Streicher, auf die bevorstehende Reise ein. Rohan Vos selbst lässt es sich nicht nehmen und ruft die Namen der Reisenden auf, die in Gruppen eingeteilt ihren Wagen zugewiesen bekommen. Alle Namen werden einfach so datenschutzfrei aufgerufen. Es ist wie früher! Und es ist sicher auch kein Zufall, dass wir zwei Deutschen die Suite bekommen, die nach dem Kommandeur der ehemaligen „Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika“ benannt ist: Lettow-Vorbeck. Das wäre in meiner Heimat, in der aus der Tannenberg-Schule die Willi-Graf-Schule wurde, natürlich politically incorrect, aber auf dieser Zeitreise ist das nicht nur problemlos möglich, sondern regt eben auch zum Nachdenken und Recherchieren an. Es schläft sich jedenfalls wunderbar im 2 mal 2 Meter großen Doppel-Daunen-Bett, in der 10 Quadratmeter großen, klimatisierten Suite – egal, ob sie nun Lettow-Vorbeck heißt oder quotenbedingt in „Ursula von der Leyen“ umbenannt würde!

Es gibt natürlich einen Dresscode auf dieser Zeitreise, an den sich die Gäste unterschiedlich strikt halten. Die Schweden sind im Sommeroutfit unterwegs, ich hingegen fand es der ehrenwerten alten Dame unter Dampf gegenüber angemessen, mich mit Zweireiher und Panamahut zu verkleiden. So erleben wir die Ausfahrt aus dem Bahnhof von Kapstadt auf der Außenplattform des Club Car mit der Sonne über dem Tafelberg. Es wird Tee gereicht. Erfrischende Sandwiches und Shortbread stehen ebenso bereit. Das Handyverbot in den öffentlichen Bereichen wird eingehalten, lediglich zum Fotografieren und lesen dient das kleine Stück Technik für die nächsten 48 Stunden, die wir brauchen, um nach Pretoria, in die Hauptstadt der Exekutive des Landes, zu rollen. Neben den Schweden sind viele Engländer und Südafrikaner unter den Reisenden. Überraschend breit ist auch das Altersspektrum von Ende zwanzig bis Ende siebzig. So finden schnell abwechslungsreiche Unterhaltungen statt, und zum Dinner im Restaurantwagen kann man sich alleine an einen Zweiertisch setzen oder das Gespräch mit anderen suchen. Das Essen ist ausgezeichnet: Auf höchstem Niveau wird ein Drei-Gänge-Menü gereicht, das mit exzellenten Weinen aus Afrika oder auf Wunsch aus der Alten Welt begleitet wird.

Der Zug ist zwar privat geführt, nutzt jedoch das staatliche Schienennetz, und so fehlt mal ein Stück Oberleitung, das geklaut wurde, eine Weiche klemmt oder die Signale sind rot, weil gerade die Güter Vorrang haben. Aber das spielt keine Rolle, denn in dem Saloon des kleinen Örtchens Matjiesfontein schließt der Allround-Barkeeper, der auch Pianist ist, erst nach unserem Dinner die Türen auf und stimmt mit seinem unverkennbaren Timbre „My Bonnie Is Over the Ocean“ an, das wir alle glücklich mitsingen. Der erste Tag unserer Reise klingt dann bei einem Drink an der Bar des Club Car oder mit einer Zigarre im großzügigen Raucher-Abteil aus.

 

Zugfahren kann also etwas Beruhigendes haben. Das monotone Rattern über die Gleise, das einen abends in den Schlaf gelullt hat, begrüßt uns am nächsten Morgen wieder. Das Abteil verfügt über ein großzügiges Bad mit einer kraftvollen Dusche, die so manchen tröpfelnden Hotelhahn müde aussehen lässt. Wer noch etwas länger auf die Reise spart, kann sich auch in der Royal Suite seine eigene Badewanne einlassen.

 

Diese Reise ist ein faszinierendes Erlebnis. Muss man immer schnell am Ziel sein? Warum nicht den Weg genießen? Das Leben erscheint einem länger zu werden an diesem Tag, an dem wir einfach durch die afrikanische Steppe rollen – rauchend, lesend, plaudernd. /// www.rovos.com

 

Text: Vasco Pridat