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DIE NEUE EDGE CLASS
Interview
22. September 2018

DIE NEUE EDGE CLASS

Gray Shealy studierte Architektur an der Yale University, bevor er unter anderem als Global Design Director für die Starwood-Marke W Hotels arbeitete. 2014 übernahm er eine Professur an der Georgetown University in Washington D.C., an der er den Master-Studiengang „Global Hospitality Leadership + Hospitality Management“ gründete. Seit Februar 2017 verantwortet er als Assistent Vice President Architectural Design + Innovation bei der Royal Carribean Cruises Ltd. das Design neuer Schiffe, unter anderem für die Marken Celebrity Cruises, Royal Carribean International, Azamara Club Cruises und TUI Cruises. Shealy lebt gemeinsam mit seinem Ehemann in Miami.

Foto: Zaid Hamid

 

WIE WAR DEIN ERSTES KREUZFAHRTERLEBNIS?

Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber um ehrlich zu sein: Ich war noch nie auf einer Kreuzfahrt. Ich war seit Antritt meines neuen Jobs im Februar natürlich auf einigen Schiffen, bin damit aber noch nicht gefahren. Ich habe mich auch nie als Kreuzfahrt-Typ gesehen. Genau das hat mich für Royal Carribean Cruises wohl interessant gemacht. Einer der wichtigsten Märkte sind die Leute, die bisher noch nie in ihrem Leben eine Kreuzfahrt gemacht haben. Daher will Royal Carribean möglichst viele Perspektiven auf ihr Produkt von außen gewinnen. Und es ist interessant: Seitdem ich für die Firma arbeite und meinen Freunden von meinen Ideen erzähle, bekommen auch sie Lust, sich für das Reisen mit einem Schiff zu interessieren.

 

WAS SIND HEUTZUTAGE DIE HERAUSFORDERUNGEN, DIE SICH BEIM DESIGN NEUER SCHIFFE STELLEN?

Zum einen muss man sich darüber bewusst sein, dass der Lebenszyklus eines Schiffes Jahrzehnte dauert. Von der ersten Skizze bis zum Bau vergehen sechs Jahre. Man muss sicherstellen, dass zum Zeitpunkt des Stapellaufs das Schiff nicht altmodisch wirkt. Es geht darum, die Zukunft vorherzusagen und ein Design zu finden, das über viele Jahre Relevanz für unsere Gäste hat. Man muss unglaublich viele Faktoren miteinbeziehen: Wie werden sich Technologie, Wirtschaft, politische Verhältnisse und die Gesellschaft als Ganzes in Zukunft entwickeln? Was passiert auf Feldern der Soziologie, Mode und Kunst? Heutzutage sind Kreuzfahrtschiffe schwimmende Städte, sie sind weit mehr als ein Transportmittel. Damit werden auch die Themen Stadtentwicklung und urbanes Design für uns von Bedeutung.

 

INWIEFERN?

Es gibt da meiner Meinung nach viele Parallelen. In Städten ist Wohnraum knapp, was sich auf die Größe der Wohnungen auswirkt. Der öffentliche Raum wird immer wichtiger. Die Frage ist: Wie können wir diesen Raum gestalten und erlebbar machen? Eine ähnliche Herausforderung haben Fluggesellschaften, von denen die Kreuzfahrtindustrie einiges lernen kann. Ich bewundere Richard Branson, wie er die Airline-Industrie verändert hat, indem er bei Virgin das Reiseerlebnis für den Gast völlig neu gedacht hat – von der Abholung mit der Limousine über die Lounge bis zum Flug selbst. Auch wir haben uns zum Beispiel beim Kabinendesign der neuen „Celebrity Edge“-Klasse von modernen Business-Class-Kabinen mit ihren runden Formen, die sich an den Körper anpassen, inspirieren lassen. Aber auch viele Materialen, die wir auf dem Schiff verwenden, werden für Flugzeuge eingesetzt.

WAS KÖNNEN GÄSTE DER NEUEN „CELEBRITY EDGE“-KLASSE SONST NOCH ERWARTEN?

Die „Celebrity Edge“-Klasse ist die erste, die komplett in unserem neuen „Innovation Lab“ entworfen wurde. Das knapp 2.000 Quadratmeter große Entwicklungslabor, in dem ich arbeite, ist Teil der Konzernzentrale in Miami. In einem Raum, den wir „The Cave“ nennen, können wir anhand von 360-Grad-Projektionen komplette Modelle, etwa von Kabinen, simulieren. Dadurch haben wir ein Echtzeit-Erlebnis von Beginn an. Von nun an durchlaufen alle Schiffe des Unternehmens – also von Royal Carribean International, Celebrity Cruises, Azamara Club Cruises sowie unser Joint Venture TUI Cruises – diesen Entwicklungsprozess. Die „Celebrity Edge“-Klasse gibt der Kreuzfahrtindustrie eine wundervoll frische Perspektive. Während wir uns unterhalten, feilt mein Team am Design dieser neuen Klasse. Dazu gehören die britische Luxusdesignerin Kelly Hoppen sowie der Architekt Tom Wright, der unter anderen das Burj al Arab in Dubai entwarf. Als Design-Markenbotschafter konnten wir den in Amerika bekannten Innendesigner Nate Berkus gewinnen. Bei der Edge-Klasse ging es uns darum, für die Gäste ein ganz neues Kreuzfahrterlebnis zu schaffen. Das Spannendste sind dabei die Kabinen, die ein völlig neues Raumgefühl zwischen Innen- und Außenbereich vermitteln. Balkonkabinen sind heute schon beinahe Standard und wohl das von Gästen am meisten verlangte Feature. Auf den Schiffen der Edge-Klasse kann der Gast selbst entscheiden, wie er dem Raum nutzen möchte. Eine verglaste Veranda lässt sich je nach Belieben als Teil des Innenraums nutzen oder aber mit geöffneter Front als Balkon. Damit vergrößern wir den Raum gegenüber bisherigen Kabinen um etwa 23 Prozent. Daneben gibt es großartige Suiten, die zum Teil über der Kapitänsbrücke liegen und Zugang zu einem Privatpool bieten. Im öffentlichen Bereich präsentieren wir unseren „Magic Carpet“, einen Bar- und Eventbereich, der über dem Meer schwebt und sich je nach Tageszeit und Situation auf eine von vier Etagen fahren lässt und damit zum Beispiel das Pooldeck erweitert oder als exklusives Restaurant eingesetzt werden kann.

ES GEHT ALSO VOR ALLEM DARUM, DEN GÄSTEN NEUE ERLEBNISSE ZU ERMÖGLICHEN?

Genau. Die Frage ist, wie ich eine Marke in ein unverwechselbares Erlebnis für den Gast übersetzen kann. Während meiner Zeit als Head of Design für die W Hotels ging es ebenfalls darum, Architektur, Design und jedes noch so kleinste Detail daraufhin zu prüfen, ob es genau die Geschichte erzählt, die zur Geschichte der Marke passt. Wie erreicht man Emotionen beim Gast, sodass er sich wohlfühlt und wiederkommt? Heutzutage ist das Erlebnis mehr wert als eine luxuriöse Ausstattung. Innerhalb der Kreuzfahrtindustrie sind Innovationen viel komplexer als bei Hotels. Studien aus der Hotelindustrie zeigen, dass die ersten zehn Minuten darüber entscheiden, ob der Gast sich wohlfühlt oder nicht. Wenn da etwas schiefgeht, hat das das Potenzial, den gesamten Aufenthalt zu ruinieren. Das kann man kaum wiedergutmachen. Die Erfahrung, die der Gast auf dem Weg vom Check-in über die Passkontrolle zum Schiff macht, liegt meistens außerhalb unserer Kontrolle. Umso wichtiger wird der Weg vom Betreten des Schiffs bis zur Kabine. Da gibt es viel zu tun.

JETZT, WO DU FÜR EIN KREUZFAHRTUNTERNEHMEN ARBEITEST, HAST DU DIR SICHER GEDANKEN ÜBER DEINE ERSTE SCHIFFSREISE GEMACHT.

Eine der schönen Vorteile, die der Job mit sich bringt, ist, dass ich mir einmal im Jahr eine Reise aussuchen kann, die die Firma bezahlt. Ich bin immer daran interessiert, neue Länder kennenzulernen, und habe inzwischen 64 Länder bereist. Der Kontinent, den ich noch nicht kenne, ist Australien. Vermutlich werde ich mit meinem Mann also eine Reise von Sydney über das Great Barrier Reef, Nordaustralien und Bali nach Singapur machen. Das Opernhaus in Sydney war schon immer mein absolutes Lieblingsgebäude. /// www.rccl.de

 

Interview: Dirk Baumgartl

22. September 2018 Travel m #53 zum mate.style.lab