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BUDDY CAR OF THE YEAR 2022
Design
17. August 2022

BUDDY CAR OF THE YEAR 2022

Die Autowelt steht kopf. Seitdem Digitalisierung und Elektrifizierung vorgedrungen sind, scheint nichts mehr unmöglich. Tesla ist innerhalb weniger Jahre vom belächelten Underdog zur wertvollsten Automarke der Welt aufgestiegen. Und eine Flut unbekannter E-Automarken aus China bringt die etablierten Autohersteller in Bedrängnis. Die Dynamik in der Branche ist derzeit atemberaubend schnell. Vor allem sind Elektrifizierung und Automatisierung nicht mehr aufzuhalten. Zudem beschleunigen staatliche Anreize von bis zu 9.000 Euro Geldprämie beim Kauf eines E-Autos den Wandel auf der Straße.

Es gibt also immer weniger Gründe, sich gegen einen E-Autokauf zu entscheiden. Das größte Hindernis ist bislang die Ladeinfrastruktur. Wer mitten in der Stadt wohnt und keine Ladesäule vor der Haustür hat, der wird vermutlich keinen großen Spaß am E-Auto haben. Auch wer viele Kilometer mit dem Auto abspult und oft große Distanzen zurücklegen muss, der ist derzeit mit einem konventionellen Antrieb unkomplizierter unterwegs, weil Benzintanken einfach schneller geht. Deswegen hält in unserer Autoauswahl die sportliche Limousine Genesis G70 mit klassischem Verbrenner die Fahne der guten alten Autowelt hoch.

 

Wer jedoch schon jetzt die Möglichkeit hat, zu Hause sein Auto mit Strom zu laden, und selten mehr als 200 bis 300 Kilometer am Stück zurücklegt, der kann bereits mit einem E-Auto in die Zukunft starten. Deswegen ist unser Buddy Car of the Year 2022 ein astreiner Stromer – und was für einer!

Genesis G70 – Schöne alte Autowelt

Bei Premium-Autos denkt man unweigerlich an deutsche Marken wie Mercedes, BMW oder Audi. Seit Jahren versuchen andere Global-Player wie Toyota mit der Marke Lexus oder Nissan mit dem Edel-Ableger Infinity, den deutschen Herstellern Paroli zu bieten. Das gelingt gut in den USA, aber auf dem Heimatmarkt in Deutschland haben sie keine Chance. Nun gibt es einen neuen aufstrebenden Stern: Diesmal ist es die Premium-Marke von Hyundai namens Genesis. Die Koreaner wollen nicht den Mainstream bedienen, sondern eigene Akzente setzen. Und das gelingt Genesis gleich auf mehreren Ebenen besonders gut.

 

Zunächst ist es die Optik. Alle Genesis-Modelle stechen aus dem Straßen-Einerlei heraus mit ihrem edlen Aussehen, das an die Luxuskarossen von Bentley erinnert. Und so bietet auch die Mittelklasse-Limousine G70 einen glänzenden Auftritt, der eben wie ein Bentley Sportlichkeit mit Eleganz wunderbar miteinander kombiniert. Angenehm ist dabei die Abwesenheit von Protz, stattdessen strahlt der G70 cooles Understatement aus. Als Mittelklasse-Limousine bietet der G70 geradezu Idealmaße für die Straße: 4,65 Meter Länge, 1,85 Meter Breite und schnittige 1,4 Meter Höhe.

 

Im Innenraum herrscht reine Wohlfühl-Atmosphäre. Nicht nur wegen der umfangreichen Ausstattung, sondern auch wegen des Designs, das Ruhe und Klasse ausstrahlt. Am meisten zur Entspannung des Besitzers trägt jedoch die fünfjährige nahezu All-inclusive-Garantie bei. Sie deckt selbst alle Inspektionskosten in dem Zeitraum ab. Das macht im Luxussegment sonst keiner. Bei den Motoren gibt es einen Diesel und zwei Benziner mit einem Leistungsspektrum von 197 bis 370 PS. Es ist also für jeden Geschmack etwas dabei. Somit ist der Genesis G70 ein ideales Auto für alle, die noch keine Lust auf E-Mobilität haben.

Toyota bZ4X – Neustart in die Zukunft

Der japanische Konzern Toyota ist neben Volkswagen der größte Autohersteller der Welt. Umso erstaunlicher, dass man dort bislang kein E-Auto im Portfolio hatte. Das liegt daran, dass die Japaner erfolgreich am Hybridantrieb festhielten. Der Toyota Prius genießt mittlerweile Kultstatus: Das Auto mit den zwei Herzen (Verbrenner und E-Motor) war das Ökomobil für die breite Masse. Es verkaufte sich in den letzten zwanzig Jahren millionenfach. Doch auch der Vorreiter von Hybridantrieben muss nun umdenken und auf E-Autos umspringen.

So prescht Toyota mit dem bz4X vor und macht gleich optisch deutlich, dass man in Richtung Zukunft strebt. Das Mittelklasse-SUV strotzt nur so vor Ecken und Kanten sowie konvexen und konkaven Linien, die sich wunderbar im Licht brechen. Der Wagen ist ein Hingucker, an dem man sich nicht sattsieht. Noch futuristischer geht es im Innenraum zu: Das sogenannte Steer-by-Wire-System hat beispielsweise keine physische Verbindung zu den Vorderrädern mehr, sondern steuert elektrisch mit einem futuristischen Lenkrad das Auto. Dadurch reichen schon 150-Grad-Lenkeinschlag, um den Wagen zu wenden. Hinzu kommen umweltfreundliche Materialien im Innenraum sowie das übliche Entertainment-Programm samt ständiger Internetverbindung und Software-Updates.

Das Beste am bZ4X ist aber seine Batterie-Garantie: Toyota verspricht, dass der Wagen selbst nach zehn Jahren und 240.000 Kilometern immer noch rund neunzig Prozent der Batteriekapazität aufweist. Das ist sensationell viel und wird sonst von niemandem auf dem Automarkt geboten. Nun muss sich zeigen, ob das elektrische Erstlingswerk von Toyota die hohen Erwartungen erfüllt.

Polestar 2 – Apple & Google auf der Straße

Die schwedische Marke Volvo genießt einen hervorragenden Ruf: Sie steht nicht nur für solide und sichere Autos, sondern auch für skandinavisches Design. Wer all das in Verbindung mit einem Elektroantrieb haben möchte, der bekommt es bei der noch jungen Tochtermarke Polestar geboten. Obendrauf gibt es eine ordentliche Portion Coolness. Dafür ist das puristische Design verantwortlich. Sagen wir es mal so: Wenn Apple ein Auto bauen würde, es könnte wie ein Polestar aussehen

Polestar 2 ist, wie die Ziffer vermuten lässt, das zweite Serienfahrzeug der Newcomer. Dabei handelt es sich um eine Mittelklasse-Limousine, die aber etwas höher als gewohnt ist und so gekonnt die Brücke zur SUV-Welt schlägt. Zeitlos und mit wenigen klaren Linien gezeichnet ist es der Gegenentwurf zu den derzeit beliebten extremen Autodesigns. Dennoch wirkt der Polestar 2 alles andere als langweilig. Im Interior geht es ruhig und minimalistisch zu. Das zentrale Bedienelement ist ein Display in der Mitte, das wie ein Tablet im Hochformat platziert ist.

Während fast alle Hersteller ein eigenes Betriebssystem haben, setzt Polestar als erste Automarke auf Google Android. Und das ist keine schlechte Entscheidung, schließlich besitzt kein Autohersteller solch ein Software-Know-how und derart viel Erfahrung mit Touch-Bedienung wie Google. Wie bei vielen anderen E-Autos hängen auch beim Polestar 2 die Reichweite und Performance von der gewählten Batteriegröße und der Anzahl der E-Motoren ab. So kann man schon recht günstig in die Polestar-Welt einsteigen. Nur bei dem etwas groben Federungskomfort sollte man hart im Nehmen sein.

Skoda Enyaq iV Coupé – Jetzt auch in besonders schön

Skoda, das war mal die praktische Tochter von Volkswagen: Mit dem Slogan „Simply Clever“ hatte man es auf Sparfüchse abgesehen, die für ihr Geld maximal viel bekommen wollen. Nun, das war einmal, wenn man sich das brandneue Skoda Enyaq iV Coupé anschaut. Skoda hat sich in den letzten Jahren zur eleganten Tochter von VW entwickelt, die zwar immer noch praktisch und erschwinglich ist, aber eben auch noch schick aussieht. Und so ist der Skoda Enyaq zunächst erst mal schön anzuschauen. Schon das normale SUV zeigt ein wirklich gelungenes Design. Das jetzt nach einem Jahr erschienene Coupé hat noch einen Schuss Sportlichkeit erhalten und ist ein echtes Prachtstück geworden.

Obwohl dieser Skoda schon optisch überzeugt, verstecken sich seine wahren Qualitäten unter der Hülle. Er basiert auf dem neuen Elektro-Baukasten von Volkswagen und verfügt über die neusten Technologien des Hauses. Gefahren wird natürlich elektrisch, und das bis zu 500 Kilometern, wenn man das große Akku-Paket ordert. Leistung ist ausreichend, aber nicht verschwenderisch viel vorhanden. Dafür glänzt das Enyaq iV Coupé mit Raum in Hülle und Fülle. Selbst der Kofferraum schluckt üppige 570 Liter Gepäck. Damit es innen luftig ist, gibt es serienmäßig ein Panorama-Glasdach inklusive. Und natürlich sind große Bediendisplays mit an Bord. So kann man dem Skoda Enyaq iV Coupé tatsächlich kaum was ankreiden … außer, dass ihm etwas Verwegenes fehlt.

Mercedes-Benz Vision EQXX – Future Car of the Year 2022

Was Mercedes mit dem Vision EQXX abgeliefert hat, beeindruckte nicht nur die Fachwelt. Selten erhielt ein E-Auto selbst in der Tages- und Lifestyle-Presse ein derart positives Echo. Das liegt vermutlich daran, dass Mercedes mit dieser Studie zeigt, an welchen Stellen heutige E-Autos optimiert werden müssen, damit sie mehr Reichweite erzielen. Denn die relativ geringe Reichweite – im echten Alltag meist rund 300 Kilometer – ist derzeit noch die Achillesferse vieler E-Autos. Also ging man beim Vision EQXX als Erstes ans Gewicht: E-Autos sind durch die riesigen Batterien sehr schwer. Das macht die Effizienz zunichte und ist schlecht fürs Handling. Mercedes konnte dank neuer Batteriezellen mit Silizium-Anoden das Gewicht um etwa dreißig Prozent im Vergleich zu derzeit üblichen Batterien senken. Außerdem sind sie nur noch halb so groß, was Bauraum im Auto spart und das Auto kompakter macht.

Zweitens: Aerodynamik. Obwohl viele E-Autos schon fabelhafte Werte erzielen, kann man mit aktiver Aerodynamik noch mehr rausholen. Dadurch wird ein Auto windschlüpfriger und auch effizienter. Der EQXX hat einen cw-Wert von 0,17 – das ist Weltrekord. Auch die neu entwickelte Antriebseinheit arbeitet effizienter als bei aktuellen Modellen. Dank dieser und weiterer Maßnahmen schafft der EQXX eine maximale Reichweite von 1.000 Kilometern – auch das ist Weltrekord. Trotz der faszinierenden Effizienz hat Mercedes noch ein ästhetisch ansprechendes Design hinbekommen, das wie vom Wind geformt wirkt.

Im Innenraum dominiert hingegen ein einziges Designmerkmal: das 8K-Display. 47,5 Zoll misst es und erstreckt sich über die gesamte Breite des Fahrzeugs. Mit dem Vision EQXX zeigt Mercedes eindrucksvoll, in welche Richtung die mobile Zukunft sich entwickelt, und verspricht, die Technologien in Serie zu bringen. Man darf sich also freuen auf eine schöne Auto-Zukunft.

WINNER

Rivian R1S – Buddy Car of the Year 2022

In den USA dürfte Rivian mittlerweile den meisten Autofans ein Begriff sein. Denn mit dem Modell R1T hat das Unternehmen jüngst den ersten Elektro-Pick-up auf den US-Markt gebracht. Das Auto ist extrem praktisch, sieht cool aus und hat eine konkurrenzlos gute Reichweite. Nur in Europa dürfte der Pick-up ein Nischenfahrzeug bleiben, denn hier fährt man lieber SUV. Und deswegen bringen die Amerikaner jetzt den R1S auf den Markt, das auf dem T-Modell basiert.

Beim Design unterscheiden sich die beiden Brüder kaum: Kantig, reduziert, futuristisch – so lässt es sich die Optik am besten beschreiben. Und sie macht Eindruck, ohne dick aufzutragen. Der Rivian R1S wirkt, als sei er direkt aus der Zukunft vorgefahren. Ein imposanter, vor allem aber auch ein zeitloser Auftritt. Dieser setzt sich im Innenraum fort. Hier gibt es ein Minimum an Design- und Bedienelementen: zwei große Displays, ein Lenkrad und Holzpaneele, das war’s. Die Reduktion aufs Wesentliche sieht edel aus und lenkt beim Fahren nicht ab.

 

Der Rivian ist aber kein reines Design-Objekt, sondern ein enorm praktischer SUV. Der 5,13 Meter lange Stromer hat bei Bedarf eine dritte Sitzreihe und bietet so bis zu sieben Insassen Platz. Und selbst dann bleibt noch viel Stauraum zur Verfügung, denn Gepäck kann nicht nur hinten, sondern auch vorne unter der Haube verstaut werden.

Der Rivian R1S ist kein reiner Großstadt-Schönling, sondern fühlt sich auch im harten Geländeeinsatz wohl. So kann beispielsweise der Luftdruck der Reifen für besseren Grip abgesenkt und per eingebautem Kompressor für den Straßeneinsatz wieder aufgeblasen werden. Das Luftfederfahrwerk lässt sich ebenfalls hochpumpen auf bis zu 37 Zentimeter Bodenfreiheit. Und selbst bei der Reichweite liefert das SUV Bestwerte: Er soll zwischen 400 und 640 Kilometern schaffen, je nach gewählter Batteriegröße. Die Leistung liegt zwischen 408 PS (völlig ausreichend) und 710 PS (exorbitant hoch).

 

Der Rivian R1S ist wirklich ein außergewöhnliches E-Auto, weil er Vernunft und Wahnsinn genial miteinander vereint. Deswegen ist das derzeit vielseitigste, geräumigste, reichweitenstärkste und geländetauglichste Elektro-SUV unser Buddy Car of the Year 2022. ///

 

Text: Martin Lewicki

17. August 2022 Design m #66 zum mate.style.lab