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A VERY LARGE
STRUCTURE
„Rund 560 Meter lang, 150 Meter breit und 180 Meter hoch soll die mobile Stadt von Domínguez sein. Bei einem Gesamtgewicht von circa 320.000 Tonnen braucht die VLS natürlich ungemein belastbare Räder und einen starken Motor.“
16. August 2016

A VERY LARGE STRUCTURE

Immer schneller, immer flexibler, immer unverbindlicher: Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Mindestgeschwindigkeit der Höchstgeschwindigkeit entspricht. Längst haben wir uns daran gewöhnt, Textnachrichten alle zehn, E-Mails alle dreißig Minuten zu checken. Freizeit ist für Arbeitslose. Gegessen wird im Gehen. Und von dem Gedanken, ein ganzes Leben in ein und demselben Land – oder gar im selben Ort – zu leben, haben wir uns schon lange verabschiedet. Endet die neue Schnelllebigkeit womöglich in so abenteuerlichen Konstrukten wie der Very Large Structure von Architekt Manuel Domínguez? Vielleicht. Dabei ließ sich der Spanier bei seiner Studie gar nicht von der Flüchtigkeit unserer Zeit inspirieren. Ja, er dachte sogar langfristig. Und ein bisschen auch an die Fantasten von Archigram.

Rund 560 Meter lang, 150 Meter breit und 180 Meter hoch soll die mobile Stadt von Domínguez sein. Bei einem Gesamtgewicht von circa 320.000 Tonnen braucht die VLS natürlich ungemein belastbare Räder und einen starken Motor. Das nötige Equipment für solche Monster gibt es zwar noch nicht, Superbagger im Tagebau aber lassen mit ähnlichen Maßen und einem Gewicht von bis zu 15.000 Tonnen zumindest hoffen, dass eine abgespeckte Version der VLS möglich ist.

Als Stadt auf Rädern soll Domínguez’ Idee auch ihren Energiehaushalt weitestgehend autark managen. Windenergie, Solarzellen und die Nutzung von Biomasse als Energieressource sollen für den nötigen Antrieb sorgen und die Stromversorgung auf Level 3 (111 Meter und höher), dem Wohnlevel des Megabaus, sicherstellen. Level 1 (81 bis 102 Meter) dient als Cargozentrum, Ersatzlager und Werkstatt der VLS. Die Zwischenetage, Level 2 (102 bis 111 Meter) ist eine Art Leber-Lunge-Herz-Kombination des Konstrukts und beherbergt unter anderem den Wasserspeicher, die Klimaanlage und die Belüftung für das Gefährt sowie die Batterien für die Energie aus Wind und Sonne. Ein Großteil der dort gelagerten Technologie ist ebenso von Nutzfahrzeugen aus dem Tagebau abgeschaut.

Ausschlaggebend für den Grad von Futurismus der VLS-Studie war allerdings nicht Domínguez’ Liebe zu Natur und Umwelt. Es war seine Frustration über die Hochschulen dieser Welt. Viel zu beschränkt in ihren Ideen wären die Studenten heute und im Tunnelblick der Mainstream-Architektur gefangen. „Natürlich ließ ich mich beim Design auch von den Walking Cities der Archigram-Architekten aus den 1960ern inspirieren, (…) ich war dann aber doch mehr interessiert an Technologien und Architektur, die bereits existiert und erprobt ist. VLS ist aber vor allem meine Kritik an der obligatorischen Abschlussarbeit an den Architekturhochschulen. Die sind meiner Meinung nach völliger Nonsens, und zwar aus zwei Gründen: Erstens sind sie in ihrer Ideenfindung und Ausführung so beschränkt und reguliert, dass am Ende doch alle mehr oder weniger ähnliche Vorschläge einreichen – eine homogene Masse von Entwürfen, von denen weder der Student noch die Schule etwas lernt. Und zweitens werden sowieso nur Projekte verlangt, die zwar in der Theorie so gebaut werden könnten, aber in hundert Jahren nie realisiert werden. Ich wollte dieses Prinzip auf die Spitze treiben und entschied mich für eine völlig utopische Studie, wollte die aber so realistisch und plausibel wie irgend möglich zeichnen.“

 

Die Very Large Structure entstand in Zusammenarbeit mit dem Projekt Creative Commons BY SA und anderen Experten. ///

 

Text: Felix Just

16. August 2016 Design m #41 zum mate.style.lab