SARDINIEN
Mit seinen aufregenden Gebirgen und großflächigen Waldgebieten ist Sardinien eine der schönsten Naturdestinationen des Mittelmeers. Nur hier trifft man zum Beispiel auf das Giara-Pferd – eine verwilderte Kleinpferdrasse – oder die Tyrrhenische Gebirgseidechse, die sonst nur noch auf Korsika vorkommt. Die Gänze der sardischen Schönheit offenbart sich allerdings erst, wenn man einen Sprung ins Meer wagt.
Sardinien ist die zweitgrößte Insel im Mittelmeer und auch aufgrund der Berge sind die Entfernungen größer als beispielsweise im Flachland. Dennoch ist man eigentlich nie weiter als ein paar Autostunden vom Strand und vom Meer entfernt. Wind- und Kitesurfer und Paddler treffen in Capo Mannu ganz im Norden der Sinis-Halbinsel auf bis zu vier Meter hohe Wellen. Bis hinunter in den Westen ist das zum Teil felsige Meer eher geübten Surfern zu empfehlen. Im Süden sind die Gewässer berechenbarer und die Wellen lang gezogen, Anfänger und Amateure werden weniger frustriert von ihrem Ausflug auf die smaragdgrüne Wasserlandschaft zurückkehren.
Nicht ganz so abenteuerlustig geht es an den malerischen Stränden der Costa Smeralda zu, einem Küstenabschnitt der Gallura-Region ganz im Nordosten. Diese einmalige Naturkulisse, in der rosa Granitgestein auf fast schon künstlich blau wirkendes Wasser trifft (alles echt!), ist so wunderschön, dass sie sogar einen echten Prinzen verliebt gemacht hat, der der Costa auch ihren Namen gab: Karim Aga Khan IV. legte in den 1960er-Jahren dort an, wo heute der exklusive Urlaubsort Porto Cervo liegt. Der milliardenschwere Prinz mit pakistanischen Wurzeln erkannte das Potenzial der Region und baute kurzerhand ein ganzes Städtchen rund um das Postkartenpanorama. Dabei orientierte er sich glücklicherweise nicht etwa an dem in den 1960er-Jahren modernen brutalistischen Baustil großer Hotelketten, sondern an der simplen sardischen Architektur kleiner Fischerorte. Auf der anderen Seite der Insel wird es architektur-historisch nicht weniger spannend. Alghero ist der Ort auf Sardinien mit den meisten Hotels. Das liegt zum einen an den gut erhaltenen Bauwerken vergangener Jahrhunderte, die Geschichtsliebhaber anlocken, zum anderen an den zahllosen Shoppingmöglichkeiten – allen voran der Korallenschmuck, der überall angeboten wird, denn die Verarbeitung von Korallen hat eine lange Tradition in Alghero. Keine Sorge: das Riff um das nahe gelegene Capo Caccia steht mittlerweile unter Naturschutz.
Das eigentliche Highlight Sardiniens befindet sich aber weder auf dem Wasser und auch nicht am Strand oder in einem der vielen Geschäfte Algheros, sondern unterhalb der Wasseroberfläche in wenigen Metern Tiefe. Farbenfrohe Unterwasserbewohner und eine ebenso geltungsbedürftige Flora begegnen Tauchern hier eigentlich überall. Berühmt ist Sardiniens Küste und ihre Tauchgebiete für die vielen Schiffswracks, die hier zu finden sind. Im Golfo degli Angeli im Süden zum Beispiel liegen gleich mehrere gesunkene Kriegsschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Norden, insbesondere um Stintino, leben Fische und Korallen im Einklang mit jahrhundertealten römischen Schiffsüberbleibseln. Viele Exkursionen werden schon ab 35 Euro angeboten. Eine ganz besondere Erfahrung ist auch ein Ausflug in den Meeresnationalpark rund um das Maddalena-Archipel. Von den 62 Inseln sind nur wenige bewohnt. Am besten lässt sich dieser einmalige Naturschatz per Boot erkunden, um anschließend beim Schlendern durch die Gassen einer der Hauptinseln den Tag ausklingen zu lassen.
Einen wunderbaren Kontrast zu der fast schon meditativen Begegnung mit Natur und Tierwelt bildet ein Besuch in Cagliari. Sicherlich sind auch die vielen kleineren Orte der Insel – allen voran Prinz Karims Porto Cervo – einen Abstecher wert, aber nirgends auf Sardinien bekommt man so komprimiert das Beste aus Shopping, Kultur und Nightlife wie in der Hauptstadt. Etwa 150.000 Menschen leben in der größten Stadt Sardiniens.
Wie viele Mittelmeerinseln, die mal dem einen, mal einem anderen Königreich angehörten, gibt es auf Sardinien, und damit auch in seiner Hauptstadt, eine spannende Bandbreite unterschiedlicher Architektur. Ein besonderes Beispiel der vielfältigen Kulturen und Bautrends, die auf Sardinien Einzug gehalten haben, ist die Kathedrale Santa Maria di Castello. Seit ihrer Erbauung 1217 fanden zahlreiche Um- und Anbauten statt, die immer die jeweilige Ästhetik ihrer Entstehungszeit darstellen. Die Kathedrale befindet sich im Schlossviertel Castello auf dem höchsten Hügel der Stadt. In Laufnähe liegen außerdem diverse Adelsresidenzen und weitere sakrale Bauwerke. In den stimmungsvollen Gässchen, die die Sehenswürdigkeiten miteinander verbinden, verkaufen Boutiquen und Handwerksläden kleine und große Mitbringsel für die Freunde zu Hause oder ganz einfach: für einen selbst. Edle Schmuckstücke aus den Gold- und Silberschmieden des Marina- oder des Castelloviertels. Oder wie wäre es mit einem echten sardischen Kunstwerk vom Kunstmarkt Mercatino ViviCastello, der immer sonntags bis 14 Uhr geöffnet hat. Oder man lässt sich ganz einfach von den Ständen des Mercato di San Benedetto inspirieren. Hier gibt es auf 8.000 Quadratmeter so viel zu entdecken, dass man eigentlich den ganzen Tag nach Herzenslust shoppen könnte. Das wäre allerdings schade, denn dann würde man vielleicht die Gelegenheit verpassen auf der Flaniermeile Cagliaris, der Via Roma, in einem der Cafés echtes italienisches Eis zu genießen oder im Fischerviertel Marina frisch gefangenen Fisch zu schlemmen.
Sardiniens Szene beschränkt sich zum größten Teil auf die Hauptstadt. Nur in den Sommermonaten sind auch Strandbars etwa in Alghero, Olbia oder San Teodoro geöffnet. Ebenso ausschließlich im Sommer geöffnet, ist das Rainbow Fico d’India Poetto, Cagliaris einzige schwule Strandbar am Poetto Beach. Ganzjährig offen hat dafür das Go Fish, das am Wochenende als Diskothek operiert und unter der Woche Drag-Shows veranstaltet.
Selbst in unmittelbarer Nähe zu Sardiniens Bar- und Klubszene und größter Siedlung aber ist die Natur und einige ihrer seltensten Bewohner immer nur einen Steinwurf entfernt. Vor den Toren Cagliaris befindet sich ein einmaliges Feuchtgebiet, das aus der Lagune von Santa Gilla und den Salinen von Macchiareddu und Porto Canale besteht. Während es sich bei dem See von Santa Gilla teilweise um ein Süßwassergewässer handelt, gehören die Salinen zu den größten Salzgewinnungsanlagen Europas. Neben Blesshühnern und Kormoranen leben hier auch Rosaflamingos, die in Italien sonst nur äußerst selten anzutreffen sind. /// www.sardegnaturismo.it
Text: Felix Just
Schlagworte: Italien, Sardinien, Travel