MODERN MEN – KASTRATION EINES ROLLENBILDES?
Was bleibt dem Mann des 21. Jahrhunderts noch? Er darf Chef sein? Das sind Frauen dank Quote und durchschnittlich höherem Bildungsgrad auch. Er hat Geld? Haben Frauen auch. Er kann Kinder machen? Warum sich mit den Widrigkeiten einer Beziehung herumschlagen, wenn Frau sich heute ganz bequem(und völlig schweißfrei) künstlich befruchten lassen kann?
Der Mann ist neben der Rolle. Diktiert vom vermeintlich schwachen Geschlecht hat er in den letzten fünfzig Jahren eine wundersame Wandlung durchgemacht. Neben der Beschreibung einer haarlosen Kreatur, die romantische Komödien liebt und gerne Zeit mit den Kindern verbringt, findet man bei der Google-Suche nach dem „modernen Mann“ unter anderem eine Liste von Verhaltensregeln für den Frauenversteher des 21. Jahrhunderts. Unter den insgesamt 33 Weichmachern finden sich Verallgemeinerungen wie „Unterschätze nie eine Frau!“ oder „Koche nicht nur für sie, sondern auch für dich allein (Steak zählt nicht)!“. Was ist aus der Frau am Herd und Fertigpizza geworden? Die eine hat sich emanzipiert, die andere passt nicht zum neuen Bild vom Mann, der auf seine Ernährung achtet und vorzugsweise Bio kauft (und kocht). In der Bildersuche sehen wir Homo metro sapiens ungewöhnlich häufig in der Küche, mit dem Kind im Arm, aber immer gut rasiert und mit ölig glattem Haupthaar. Brusthaare sehen wir keine. Auch keine Tattoos. Kein Bier und kein Motorrad.
Dabei es ist gar nicht lange her, da waren wir noch sooo männlich und maskulin. Über Jahrhunderte wurde uns beigebracht, uns zu beweisen, zu messen – zu herrschen. In den allerwenigsten Kulturen und Zivilisationen spielten Frauen eine politische Rolle oder erhielten gar die Legitimierung, die Geschicke eines Volkes zu lenken. Sie waren Mütter und Haushälterinnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und spätestens mit der Frauenbewegung der 1960er- und 1970er-Jahre erfolgte die Kastration des männlichen Rollenbildes. Männer sollten im Haus mit anpacken, zuhören, Verständnis haben. In den 1990ern kam es zum nächsten logischen Schritt in der Deformation: Nachdem sein Wesen von jedweden Spuren Testosterons befreit worden war, musste nun auch das Äußere des Mannes dran glauben. Wer sich nicht rasierte, galt nicht länger als männlich, er war ungepflegt. Die erste Welle von Pflegeprodukten, eigens für Männer entwickelt, brach über uns herein. Augenbrauen wollten gezupft, das Brusthaar rasiert und die Intimzone gestutzt werden. Mit jeder Errungenschaft der Frauenwelt wurde der Mann ein wenig kahler. Frauen durften dafür Moped fahren, furzen und sogar Helden sein. Hollywood diktierte: Helden haben jetzt Brüste. 1984 ist Sarah Connor im ersten „Terminator“ noch die Jungfrau in Nöten; im zweiten Teil wird die Mutter des vermeintlichen Erlösers mit einem ganzen Arsenal an Waffen ausgerüstet und bekommt ein schlagfertiges Mundwerk verpasst, das mit den Sprüchen von Arnold locker mithalten kann. „Buffy the Vampire Slayer“ und „Xena“ ebnen den Weg für zukünftige Action-Heroes wie Angelina Jolie und Michelle Rodriguez. Mit fortschreitender Kastration sollten uns aber nicht nur seit Jahrhunderten zugesprochene Rollen und Modelle abgesprochen werden. Neue Verbote wurden aufgestellt. Arschloch sein war nicht länger „typisch Mann“, es war ein Fehltritt.
Was bleibt also vom Mann? Ein paar Zentimeter Schwellkörper und ein breites Kreuz? Jein. Der trainierte Mann wurde zum Synonym für einen Körperkult und eine kollektive Ästhetik, wie sie Frauen seit Jahrhunderten betreiben. Wir stecken uns selbst in Kategorien, statt unsere Individualität zu pflegen. In Chat-Portalen und Dating-Apps vergleichen wir uns mit all den anderen Torsos, die die digitale Spielwiese zu bieten hat. Wir urteilen den Bizeps anderer User ab und bleiben in Konversationen vage. Es gibt immer noch schönere Männer. Zwischen all den Sixpacks und glatt rasierten Brustmuskeln tauchen aber plötzlich vermehrt haarige Bäuche und bärtige Gesichter grinsender Typen auf. Schwule Männer starten den Trend zur neuen Männlichkeit. Und die Frauen? Frauen finden es laut Lifestylemagazinen eigentlich ganz toll, wenn ihr Macker auch mal einen auf Macho macht. Felix Baumgartner ist nicht länger ein Wahnsinniger mit Geltungsdrang, der Red-Bull-Stuntman ist ein Held. Bartträger gelten nicht mehr als ungepflegt, sie laufen nun unter „Hipster“. Und der „Out of Bed“-Look ist jetzt genau das: ein Look! Wir emanzipieren uns von der Emanzipation. Wir wollen uns nicht in Schwertkämpfen die Köpfe einhauen, und irgendwie ist es ja schon geil, so ein Sixpack, aber das sind Haare im Gesicht und Fertigpizza auch.
Die besten Gadgets für echte Kerle? Hier:
MÄNNER KLIPPEN
Nichts ist schlimmer als lange Fingernägel, außer vielleicht unsäglich winzige Nagelscheren.
NUR MÄDELS GEHEN IN DEN GYM
Joggen, Schwimmen, ja selbst Gewichte stemmen – für Mädchen. Nexersys macht das Training wieder zur Männersache.
KLICK, ZISCH – KAMM
Das ist doch mal ein Multifunktionswerkzeug, mit dem wir etwas anfangen können! Kamm und Bieröffner? Ja, bitte. Aus rostfreiem Stahl.
DER OL-FAKTOR
Kein Mann muss mehr nach „Honigmilch“ oder „Blütenwiese“ riechen. Die Zeiten von „Silky Dreams“ und „Sensitive Touch“ sind vorbei. Wir waschen unsere Haare mit Bier.
IMMER EIN BIER IN DER HAND
Begleitend zum Weizenbier-Shampoo von Frank Leder gibt es die passende Seife von ManHands mit Bierduft. Das amerikanische Unternehmen verschifft unter anderem auch Seife, die nach Bier, frisch gemähtem Gras oder sogar nach „Lap Dance“ duftet.
ASS SAVER
Der beste Kumpel ist manchmal nicht genug. Mitunter brauchen wir einen Ass Saver. Die wenigen Zentimeter Plastik schützen, an unser Mountainbike angebracht, vor Spritzwasser und einer versauten Jeans.
LEINEN LOS!
Wer wollte als Junge nicht Matrose sein – die ehrgeizigeren unter uns Kapitän? Die Balmain Boat Company macht Jungenträume wahr. Für kleinstes Budget kommt ein Kit der Minisegelboote zu dir nach Hause. Zum Selberklöppeln. /// www.thebalmainboatcompany.com
Text: Felix Just / Illustration: Patrick Mason