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MARKUS BISCHOF
Über kommunikative Pfeifendesigns, Nachhaltigkeit und freilaufende Handwerker.
15. Juli 2018

MARKUS BISCHOF

Während andere Jungdesigner von Luxuskarren, High-End-Möbeln und Marken wie Montblanc träumen, entschied sich Markus Bischof nach einer Schreinerlehre und dem Studium für integriertes Produktdesign, einen Job beim Stanzmaschinenhersteller Trumpf anzunehmen. Das unvertraute Material Blech und die Strukturen des Großunternehmens reizten ihn. Seit 2010 leitet er sein eigenes Designstudio in Nürnberg.

DU HAST DICH ZWEI JAHRE LANG – VON 2008 BIS 2010 – MIT DEM DESIGN DER TRUMPF STANZMASCHINEN BESCHÄFTIGT, DEINE EIGENTLICHE LEIDENSCHAFT IST ABER LICHTDESIGN. ZUMINDEST WÜRDE MAN DAS VERMUTEN, WENN MAN SICH MAL DEIN PORTFOLIO SO ANSIEHT.

Da würde ich Jein zu sagen. Ich habe als Designer mit Licht angefangen, da mich das Thema immer schon interessiert hat. Licht nimmt einen extrem großen Einfluss auf unser Leben. Wenn du einen Raum hast, der schlecht ausgeleuchtet ist, dann schlägt das gleich auf dein Wohlbefinden. Ich würde aber sagen, dass unser Portfolio wesentlich breiter ist. Und das ist es auch, was unser Büro ausmacht: dass wir über alle Disziplinen hinaus arbeiten und uns eben nicht festlegen.

 

AUF DEINER WEBSITE HABE ICH AUSSERDEM DIVERSE PFEIFENDESIGNS GESEHEN. WAS IST DENN DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EINER STINKNORMALEN PFEIFE UND EINER DESIGNERPFEIFE?

Grundsätzlich muss man den Design-Begriff entkräften. Jedes Produkt, das sich am Markt verkaufen will, muss einen Designanspruch haben, weil wir eben nicht mehr in unseren Grundbedürfnissen leben, sondern uns weit darüber hinausentwickelt haben. Deswegen gibt es für mich nicht DIE Designerpfeife, sondern nur ein schlecht gemachtes Produkt. Das heißt, dass die Gestaltung nicht ausreichend Berücksichtigung fand. Man kann natürlich eine archetypische Pfeife entwerfen, wie sie vielleicht ein Kind malen würde. Oder man macht eine Pfeife, die im Gesicht mit Bart und Brille interagiert und kommuniziert. Leute, die einen Vollbart tragen und sich ein Single-Speed-Fahrrad kaufen, wollen sich nach außen hin differenzieren, und da funktioniert eine Pfeife, die eine Aussage trifft, sehr gut.

WAS HAT ES MIT DEM KINK BED AUF SICH?

Das Kink Bed ist eine hausinterne Entwicklung für ein Label, das wir neu positionieren wollen. Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass die Möbelkultur heute vor allem einem Mainstream gefallen will und wenig risikobereit ist. Den kommerziellen Nutzen sollen unsere Möbel natürlich auch erfüllen, aber sie sollen darüber hinaus im Raum eine Aussage treffen und nicht nur einer Funktion entsprechen. Beim Kink Bed ist es so, dass wir uns gefragt haben, wieso eigentlich jeder bei Betten immer nur von Schlafen oder Schlafkomfort spricht. Ganz ehrlich: Wir haben im Bett auch Sex. Also nicht nur da, aber eben auch, und dieser Fakt ist definitiv eine Charaktereigenschaft des Produkts. Der nächste Schritt war dann festzulegen, wie man dieses Thema im Design aufnehmen kann, ohne dass es banal wirkt oder an Möbel aus den 1970er-Jahren erinnert. So hat das Bett zum Beispiel dezente Handschlaufen, an denen man sich festhalten kann, und es gibt Beistelltische, die wie an einer Reling bewegt werden und auf denen Utensilien abgelegt werden können.

 

WELCHEN STELLENWERT NIMMT NACHHALTIGKEIT IN DEINEN ÜBERLEGUNGEN EIN?

Die Nachhaltigkeit ist ein viel besprochenes Thema – und für mich ist dieses Thema nur dann ehrlich, wenn man nicht versucht, es in seine Aktion hineinzuinterpretieren. Ich habe Schreiner gelernt, und wenn ich jetzt als Schreiner nicht darauf achten würde, dass ich möglichst viel Material aus einer Platte herausarbeite, dann arbeite ich nicht nachhaltig. Der Nachhaltigkeitsbegriff hat mich also, ohne dass ich darüber gesprochen habe, seit meiner Ausbildung begleitet. Ich praktiziere das auch im privaten Rahmen. In meinem Haushalt wird man zum Beispiel keine Alufolie finden, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Material wie Aluminium, dessen Energieaufwand in der Gewinnung sieben Mal höher ist als der von Stahl, kein Verpackungsmaterial sein sollte. Genauso sehe ich mich in der Pflicht, meinen Kunden in einzelnen Arbeitsschritten nachhaltige Alternativen anzubieten. Ich denke da zu allererst an Verklebungen. Man spricht dann meistens von Verbundwerkstoffen, die mehrere Materialien zusammenfügen. Das hat den Nachteil, dass man diese später nicht mehr richtig recyceln kann. Ich gebe an dieser Stelle ganz gern das Beispiel alter Häuser an. Ein Haus, das um die Jahrhundertwende gebaut wurde und nach Aufgabe der Natur überlassen wird, zerfällt irgendwann und tut der Umwelt nicht weh. Wenn ich dagegen unsere modernen styroporverpackten Häuser betrachte, dann muss man von einer wirklichen Last sprechen, die man der Umwelt aufhalst und die auch nach vielen Jahren noch erkennbar ist. Wenn es jetzt um Möbel geht, dann sollte ich mir vorher überlegen, zu welchem Zweck und Nutzen ich ein Objekt kaufe. IKEA ist eine tolle Geschichte, weil es auch bei Leuten, die mit Design nichts zu tun haben, eine gewisse Stilsicherheit schafft – durch Imitation. (lacht) Aber viele Gegenstände sind leider nicht für den langfristigen Gebrauch gemacht. Oft versagen die Materialien viel zu früh. Ein Möbel sollte ein privates Investitionsgut sein. Wenn ich daraus jetzt aber ein Lifestyleprodukt mache, das ich eben mal austausche, weil es relativ wenig kostet, dann ist das wenig nachhaltig. Der Energieaufwand für ein solches Möbel steht in keinem Verhältnis zu dem, was es in seiner kurzen Lebenszeit leistet.

 

BEI DER PRODUKTION SETZT DU AUSSERDEM AUF KLEINERE UND LOKALE UNTERNEHMEN. IN DIESEM ZUSAMMENHANG IST AUCH DER CLAIM „VON FREI LAUFENDEN GLÜCKLICHEN HANDWERKERN“ ENTSTANDEN. WAS VERBIRGT SICH DAHINTER?

Auch hier spielt die Nachhaltigkeit eine Rolle. Bei Lebensmitteln fragen wir uns, wo die herkommen. Wie werden die Tiere gehalten? Stammt mein Gemüse aus ökologischem Anbau? Bei Möbeln tue ich das nicht. Ich hinterfrage bei den Produkten in der Regel nicht, wieso das jetzt zu weniger als dem halben Preis angeboten werden kann, als es ein Schreiner beispielsweise verkaufen würde. Man lässt dann häufig außer Acht, dass ein solches Produkt und ein solcher Preis eigentlich nur durch eine nicht nachhaltige Produktion entstanden sein können.

IST NÜRNBERG EIN DESIGN-STANDORT?

Natürlich! Ich bin ja da. (lacht) Also, Nürnberg ist großartig, auch wenn ich lange Zeit Identitätsprobleme mit der Stadt hatte. Ich habe in New York und in Hamburg gelebt und gesehen, was eine Stadt alles sein kann. Nürnberg war lange sehr funktional, was mit meinen Bedürfnissen natürlich in einem starken Konflikt stand. Vor neun Jahren noch hätte ich deine Frage sicherlich mit einem Nein beantwortet. Aber durch gute Öffentlichkeitsarbeit, viele kleine Initiativen und das Engagement Einzelner haben wir mittlerweile einen Blumenstrauß an coolen Leuten und Aktionsräumen hier. Nürnberg wird niemals Berlin sein, aber die Stadt macht sehr viel Spaß. /// www.markusbischof.de

 

Interview: Felix Just