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MARIO ADRION
Interview
12. Oktober 2023

MARIO ADRION

Mario Adrion ist Model, Youtuber und deutscher Exportschlager. Groß geworden in einem verschlafenen Örtchen an der Grenze zur Schweiz, war es sein Optimismus, der ihn den Sprung über den Großen Teich hat wagen lassen. Heute lebt er in Los Angeles und war bereits in Hit-Shows wie „Germany’s Next Topmodel“ und „American Idol“ zu sehen. Wir sprachen mit dem sympathischen Blogger über die schönen und die Schattenseiten des Modellebens, sexuelle Labels und seinen Catwalk-Wettbewerb mit Superstar Katy Perry.

Foto: Riley Hersey

MARIO, DU STAMMST AUS EINER KLEINSTADT IN DER NÄHE DER SCHWEIZ. WIE SCHAFFT MAN ES AUS EINEM 800-SEELEN-DORF ZUR GRÖSSTEN CASTINGSHOW DER USA? WIE HAT DEINE MODELKARRIERE BEGONNEN?

Ich habe damals als Jugendlicher angefangen, Martial Arts zu praktizieren, und hatte plötzlich ein Sixpack. Das wollte ich unbedingt festhalten und habe einen Fotografen in meiner Stadt angeschrieben. Die Bilder sind dann später auf Umwegen in einer Facebook-Gruppe gelandet, die „Hot German Male Models“ hieß. In dieser Gruppe war auch ein Model-Scout aus New York, der mich angeschrieben und nach New York eingeladen hat. Ich hatte gerade mein Abitur gemacht und eigentlich kein Geld. Mit den paar Euro, die ich auf dem Konto hatte, habe ich dann trotzdem ein One-Way-Ticket nach New York gebucht. Der Scout hat mich vor Ort verschiedenen Agenturen vorgestellt – und so hat meine Karriere angefangen.

 

HAST DU KEINE ANGST GEHABT, DASS MAN DICH HINTERS LICHT FÜHRT UND DER TYP AM ENDE GAR KEIN MODEL-SCOUT IST?

Ich bin ein unfassbar optimistischer Typ. Da wo ich herkomme, gibt es im Grunde keine Kriminalität. Rückblickend war das sicher naiv.

 

WAS WAREN EINIGE DEINER SCHÖNSTEN ERFAHRUNGEN ODER COOLSTEN JOBS?

Commercials und Bewegtbildproduktionen machen mir am meisten Spaß, weil ich da meine Persönlichkeit besser zum Ausdruck bringen kann als auf Fotos. In Singapur habe ich mal für Tommy Hilfiger eine Schuhkampagne gedreht, das war wirklich cool. New York Fashion Week ist auch toll. Man bekommt zwar kaum Geld für die Shows, aber es macht immer Spaß.

Foto: Riley Hersey

DAS MODELLEBEN IST ABER NICHT NUR EITEL SONNENSCHEIN. WAS FÄLLT DIR BESONDERS SCHWER?

Es gibt natürlich Jobs, die sind anstrengend. E-Commerce-Aufträge zum Beispiel, also Katalog-Shootings. Da hat man am Tag so um die siebzig Outfits an, die fotografiert werden. Fließbandarbeit quasi. In Asien ist es noch ein bisschen krasser, da können es schon mal bis zu 120 Looks pro Tag sein. Zum anderen herrscht im Modelbusiness ein starkes Machtgefälle. Ich habe als Model nicht viel Einfluss auf meine Karriere. Ich kann in Form sein und gut aussehen, aber am Ende hängt alles davon ab, ob deine Agentur dich pusht und ob die Castingdirektoren dich mögen. Ich habe Erfahrungen mit Fotografen gemacht, die mir gesagt haben, dass ich ihnen sexuelle Gefallen tun muss, wenn ich den Job haben will. Deshalb habe ich irgendwann meine Social-Media-Präsenz ausgebaut, weil ich da selbst die Zügel in der Hand habe.

 

ICH HABE DAS LEIDER AUCH SCHON OFT VON ANDEREN MODELS GEHÖRT. OBWOHL MAN JA ANNIMMT, DASS ES BEI MÄNNERN NICHT SO HÄUFIG PASSIERT WIE BEI DEN FRAUEN.

Das ist ein Thema, über das ich online oft spreche. Ich habe selbst schon sexuelle Übergriffe erlebt. Lange Zeit habe ich darüber mit niemandem geredet. Nicht mit meiner Mutter und nicht mit meinen Freunden. Ich dachte, als Mann darf ich das nicht kommunizieren. Das ist einer der Gründe, warum die Dunkelziffer bei Männern sicher noch sehr viel höher ist.

Foto: Veta Horwitz

DU WARST VOR EINIGEN JAHREN BEI „GERMANY’S NEXT TOPMODEL“ ZU SEHEN. WIE KAM ES DAZU UND WIE HAST DU DIE ZEIT DAMALS WAHRGENOMMEN?

Das kam ganz spontan über einen Freund, einen Fotografen, der mich bei der Produktion vorgestellt hat. Die brauchten damals männliche Models aus LA und am Anfang wusste am Set gar niemand, dass ich aus Deutschland komme und Deutsch spreche. Als ich dann noch einen Kuss mit einer der Kandidatinnen hatte, wurde das Thema medial aufgegriffen und aufgeblasen. Daraufhin hatte ich einige Bookings in Deutschland und habe dort meinen Sommer verbracht. Das war ganz schön, mal wieder in der Heimat zu sein und zu arbeiten.

Foto: Riley Hersey

DU BIST NICHT NUR MODEL, SONDERN AUCH ERFOLGREICHER YOUTUBER. WAS ZEIGST DU AUF DEINEM KANAL SO?

Ganz am Anfang habe ich einfach mein Leben als Model dokumentiert. Es war gar nicht mein Plan, Youtuber zu werden. Ich habe die Videos vor allem als Erinnerung für mich selbst gemacht. Plötzlich hatte ich Tausende von Klicks und habe mehr Content produziert. Während der Pandemie habe ich eine sehr enge Beziehung zu meinem besten schwulen Freund aufgebaut, eine Art Bromance, und der Kanal wurde zum Relationship Channel. Inzwischen mache ich mehr Comedy.

 

DU WARST SCHON IMMER SEHR OFFEN, WAS DEINE SEXUALITÄT UND DEINE AVERSION GEGEN LABELS ANGEHT. ZWISCHENZEITLICH GAB ES DISKUSSIONEN ÜBER DEINE MÖGLICHE ASEXUALITÄT, DU WARST MIT FRAUEN ZUSAMMEN, MIT MÄNNERN … WIESO IST ES DIR SO WICHTIG, ÜBER DEINE SEXUALITÄT IN DER ÖFFENTLICHKEIT ZU SPRECHEN, UND WO STEHST DU HEUTE IN DEINER ENTWICKLUNG ALS SEXUELLE PERSON?

Ich hatte schon immer ein Problem mit Labels. Und aufgrund von sexuellen Übergriffen habe ich mich lange Zeit komplett aus Beziehungen zurückgezogen, egal ob das jetzt Frauen oder Männer waren. Mein Freund Travis hat mich dann langsam für intime Begegnungen geöffnet. Durch ihn habe ich gelernt, dass eine Beziehung nicht zwingend zwischen Mann und Frau stattfinden muss oder dass eine Beziehung zwischen zwei Männern nicht gleich eine homosexuelle Erfahrung im klassischen Sinne sein muss. Wir haben uns geküsst und gekuschelt, ohne Sex miteinander zu haben. Trotzdem war er wie ein Partner für mich. Am Ende habe ich für mich entschieden, dass ich am glücklichsten bin, wenn ich mich nicht den traditionellen Vorstellungen beuge und einfach so lebe, wie ich es will.

Foto: Riley Hersey

ERZÄHL DOCH MAL ÜBER DEINEN AUFTRITT BEI „AMERICAN IDOL“! DU BIST JA EIGENTLICH KEIN SÄNGER.

(lacht) Ja, nee, ich bin kein Sänger. Ein Freund von mir war damals in einer deutschen Boyband. Ich habe ihn bei einer Comedyshow kennengelernt, in der er über sein Boyband-Leben berichtet hat. Nach dem Auftritt habe ich ihn angesprochen. Zufälligerweise war er gerade auch Casting Director bei „American Idol“ und hat mich in die Show geholt. Wenn man nicht singen kann, muss man das über Humor kompensieren. Deshalb habe ich mir gedacht, ich trete nur in einer Speedo auf und habe vor den Judges einen eigenen Song performt. Nicht mit der Erwartungshaltung, dass ich von denen irgendjemanden beeindrucke. Ich wollte einfach nur Spaß haben. Am Ende hatte ich sogar einen kleinen Catwalk-Battle mit Katy Perry, von dem ich sagen würde, dass ich ihn gewonnen habe. (lacht)

 

DU LEBST NUN IN DEN USA. GIBT ES ETWAS AUS DEUTSCHLAND, DAS DU BESONDERS VERMISST?

Natürlich meine Familie. Deutsche Küche und vor allem deutsches Brot. Mein Onkel ist Bäcker und meine Tante hat eine Konditorei. Was ich am meisten vermisse, ist die Stille. Ich wohne mitten in Hollywood und hier ist einfach immer was los. Wenn ich im Schwarzwald um 9 Uhr abends rausgehe, dann hört man nichts. Das kann sehr schön sein. / www.instagram.com/marioadrion /// www.youtube.com/c/marioadrion

 

Interview: Felix Just

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