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KLEINE PILLE,
GROßE WIRKUNG
„Hauptsache die Chemie stimmt.“
10. Juli 2016

KLEINE PILLE, GROßE WIRKUNG

Generationen von Menschen haben nach Rezepten zur Steigerung der Manneskraft gesucht. Unzählige Rinderhoden wurden zerkleinert und pulverisiert, Götzen angerufen und Zauber im fahlen Mondlicht gewispert. Doch mit Hexerei hat das längst nichts mehr zu tun. Heutzutage weiß man: Hauptsache die Chemie stimmt. Um die Wirkung eines Potenzmittels zu verstehen, muss man die physiologischen Vorgänge einer Erektion kennen. Diese entsteht durch das Füllen der Schwellkörper im Penis mit Blut. Ohne sexuelle Stimulation fließt nur eine kleine Menge Blut durch den Penis, da die Arterien im Schwellkörper verengt sind. Bei sexueller Erregung entspannt sich die Muskulatur der Gefäße, die sich daraufhin weiten. Der Blutfluss in den Penis lässt die Schwellkörper anschwellen und das Organ richtet sich auf. Gleichzeitig werden die Blut abführenden Adern verengt. Bei Potenzproblemen sinkt der Innendruck im Schwellkörpergewebe vorzeitig ab und führt damit zum Abfluss des Bluts im Penis. Hier setzt der Wirkstoff von Viagra, Levitra und Cialis ein, der als PDE-5-Hemmer bezeichnet wird.

 

PDE-5-HEMMER

Die konkurrierenden Produkte Viagra, Levitra und Cialis haben denselben Wirkmechanismus. Sie unterteilen sich in Schnellwirker (Levitra) und in Langwirker (Cialis). Viagra soll laut Hersteller bei einem Drittel der Männer bereits nach 14 Minuten wirken. Doch die tatsächliche Wirkung hängt nicht nur von klinischen Studien, sondern von weiteren Faktoren ab. So blockiert zum Beispiel fetthaltiges Essen vor der Pilleneinnahme die Wirkung. Der gleichzeitige Gebrauch von Poppers kann verheerend sein. Auch die Verträglichkeit ist individuell, weshalb Urologen zu einem Test aller Produkte raten. Dennoch kann konstatiert werden: Für ein spontanes Abenteuer empfehlen sich eher die Schnellwirker Viagra und Levitra mit einem Wirkungszeitraum von etwa vier bis fünf Stunden. Für ein romantisches Wochenende eignet sich eher der 36-Stundenwirker Cialis.

Allerdings verhindern die drei bekannten PDE-5-Hemmer nur den vorschnellen Verlust einer Erektion. Sie erzeugen weder sexuelle Lust noch führen sie zu einer Erektion auf Knopfdruck – eine sexuelle Stimulation ist also weiterhin notwendig. Außerdem findet guter Sex seinen Ausgang über Lust und Erotik im entsprechend stimulierten Teil des Gehirns.

 

REINE KOPFSACHE

Als Wundermittel wurde deshalb lange Zeit PT141 gehandelt. Anders als die PDE-5-Hemmer wirkt das Medikament nicht über Mechanismen im männlichen Schwellkörper, sondern über das Lustzentrum im Gehirn – sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Dazu imitiert Bremelanotide (PT141) das natürlich vorkommende Hormon Alpha-Melanocyte. In klinischen Studien wurde die Wirksamkeit bei Männern und Frauen bereits nachgewiesen. Der Leiter der Tierversuchsreihe an weiblichen Ratten, Dr. James G. Pfaus von der Concordia Universität in Montreal, weist gegenüber Mate jedoch auf einige wichtige Unterschiede hin. Männliche und weibliche sexuelle Dysfunktion seien äußerst verschieden: Während der Mann häufig will, aber nicht kann, fehle es der Frau eher am Verlangen. Die Wirksamkeit von PT141 auf das sexuelle Verlangen der Frau scheint erwiesen, ebenso wie die erektile Unterstützung beim Mann. Was nicht gezeigt werden konnte, ist, dass PT141 die Lust beim Mann erhöht. James Pfaus wörtlich: „Ich glaube nicht, das sie (Melanocyte-Hormone) das Verlangen nach Sex bei einem Menschen steigern können, der es nicht fühlt oder es nicht fühlen möchte.“

 

REIN NATÜRLICH

Eine Alternative zu den chemischen Produkten heißt EUVIRIL. Das natürliche Potenzmitteln gibt es in rasch wirkenden Brausetabletten oder als Kapseln zur langfristigen Anwendung. Dabei kommt es durch die hochkonzentrierte Aminosäure L-Arginin zu einer verbesserten Durchblutung, was die Blutansammlung im Penis unterstützt. Bei Höherdosierung ist selbst nach drei bis vier Stunden noch eine schnelle Erregbarkeit festzustellen. Im Gegensatz zu den chemischen Pillen kommt es hierbei zu keinem Pochen im Kopf oder zu einer auffälligen Rötung im Gesicht. Dennoch wird auch hier vor einem Gleichzeitigen Gebrauch mit Poppers gewarnt.

 

SEX-DOPING

Das männliche Sexualhormon Testosteron ist maßgeblich an einer Erektion beteiligt. Ein Mangel des Hormons führt unweigerlich zu Leistungsrückgang, Unlust und infolgedessen auch zur erektilen Dysfunktion. Ein Überschuss von Testosteron wirkt sich wiederum positiv auf das gesamte Sexualverhalten aus. Sowohl die Standfestigkeit als auch die Erregbarkeit nehmen bei einer Testosteron-Substitution spürbar zu. Je nach Dosierung kann es sogar zu lästigen, schlafstörenden Erektionen in den frühen Morgenstunden kommen. Der Testosteronspiegel des Mannes nimmt ab dem 30. Lebensjahr kontinuierlich ab. Wenn ein Testosteronmangel diagnostiziert wurde, bieten immer mehr Ärzte Hormon-Therapien an. Das kann im höheren Alter nicht nur die Potenz, sondern die gesamte Lebensqualität beträchtlich steigern.

 

SUCHTPOTENTIAL

Erschreckend ist das Suchtpotential, wenn man erst einmal die Wirkungsmacht der Potenzmittel erfahren hat. Eine eigenständig erarbeitete Erektion erscheint fragil und unsicher, wo sie gestern noch selbstverständlich war. Schnell möchte man den Effekt auf Knopfdruck nicht mehr vermissen.

Bis zum Zeitpunkt einer notwendigen medizinischen Intervention sollte jedoch im Vordergrund stehen, dass mit einer gesunden Lebensführung und viel Sport die Risikofaktoren der erektilen Dysfunktion vermindert werden und der Hormonhaushalt auf natürliche Weise angeregt wird. Eine Pille oder Spritze allein macht eben noch keinen Frühling im Bauch. ///

 

Text: Olaf Alp

10. Juli 2016 Body m #24 zum mate.style.lab