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ISLAND
aus dem Geysir auf den Gletscher
20. Oktober 2023

ISLAND

Im Frühsommer 2019 sorgte eine Veröffentlichung des Instituts für Sexualmedizin einer südchinesischen Universität an verschiedenen Enden der Welt für Begeisterung. Sie befasste sich mit sogenannten Elektro-Meteoren sowie ihren Auswirkungen auf den Menschen. Prompt knallten in Ostafrika die Sektkorken. Und in chinesischen Bordellen. Und in isländischen Fremdenverkehrsämtern. Die beiden Letztgenannten überrollt seitdem ein Besuchersturm.

Wir werden später erklären, wie es dazu kam, und an dieser Stelle keine Tipps für ein passendes Outfit bei einem Besuch von chinesischen Bordellen geben, aber für eine Reise nach Island: Was sollte man in den Koffer packen, wenn man ein Land bereist, in dem selbst ein Apfel als Südfrucht gilt? Faustregel: abgesehen von den Skistiefeln alles, was man für einen Winterurlaub einpackt. Plus – ganz wichtig – Badehose.

Island ist selbst im Sommer wie ein Kühlschrank, bei dem man die Tür nicht richtig geschlossen hat: Das Eisfach schmilzt langsam, das Licht ist immer an und es ist ungefähr acht Grad warm. Oder besser: acht Grad kalt. Der Vorteil: Auch bei strahlendem Sonnenschein ist man bei Wanderungen auf dem Gletscher oder an Traumstränden meist allein. Zum Beispiel am Black Sand Beach Reynisfjara, dem wohl berühmtesten Strand Islands, den Google Maps in maßloser Ortsunkenntnis mit dem Symbol eines Sonnenschirmchens ausweist. Selbst wenn die Sonne den schwarzen Sand an besonders heißen Tagen auf mehr als 14 Grad wärmt, fallen Schirme mit großer Wahrscheinlichkeit dem starken Wind zum Opfer. Und wegen der meist bedrohlichen Wellen und starken Strömungen sollte man hier nicht mal in die Nähe des Wassers gehen. Als Fotomotiv oder für Wanderungen entlang des Strandes oder der benachbarten Felsen ist der Küstenabschnitt im Süden der Insel allerdings hervorragend geeignet.

In der kurzen Zeitspanne des Übergangs vom isländischen Frühling zum isländischen Herbst strömen mehr als eine halbe Million Badewillige zum Strand von Nauthólsvík. Er liegt südwestlich des Hügels Öskjuhlíð – viel Erfolg beim Eingeben ins Navigationssystem! Seine Beliebtheit hat einen Grund: Die Stadtwerke Reykjavík leiten Wasser aus geothermaler Fernwärme – nachdem es Häuser beheizt hat – an dieser Stelle ins Meer. Und ja: In Island heizt man auch im sogenannten Sommer.

Das Wasser in der kleinen, mit einem Steinwall abgegrenzten Bucht erwärmt sich so auf zeitweise über 15 Grad. Obwohl der Sand des Strandes aus Marokko importiert wurde, sind die beiden Hotpots mit ihrem knapp vierzig Grad warmen Wasser bei Kindern und Ausländern deutlich beliebter als das Meer. Der Besuch der gesamten Anlage ist übrigens kostenlos – ganz im Gegensatz zu Islands berühmtester Badeanstalt.

In kaum einem Fernsehbeitrag oder Artikel bleibt sie unerwähnt, die Bláa Lónið, zu deutsch: Blaue Lagune. Das Thermalfreibad ist inzwischen so überlaufen und derart überteuert, dass man von einem Besuch nur abraten kann. Und das besonders, seitdem chinesische Touristen Island als Reiseziel zur Stärkung ihrer Potenz entdeckt haben. Der Grund sind Polarlichter.

 

Diese Leuchterscheinungen durch angeregte Gasatome in der Hochatmosphäre, also Elektro-Meteore, steigern die Potenz. Das behauptet zumindest eine chinesische Studie. Es könnte sich allerdings auch um ein geschickt lanciertes Gerücht aus der Tourismusindustrie handeln. In Afrika erhöhten sich prompt die Überlebenschancen von Nashorn und Säbelzahntiger. Man rechnete mit einer verminderten Nachfrage nach Horn und Zahn aus der chinesischen, sexuell unbefriedigten Oberschicht. Diese setzt sich inzwischen dem Nordleuchten aus wie Mallorca-Urlauber schlechten Schlagern. Und sie stürmt mit erwachtem sexuellen Bewusstsein die Blaue Lagune.

Unser Tipp ist deshalb die Secret Lagoon, knapp anderthalb Stunden östlich von Reykjavík. Hier läuft das heiße Wasser mehrerer kleiner Quellen und Geysire in einen großen Naturpool aus schwarzem Lavagestein. Empfangsbereich, Umkleidekabinen und das kleine Café werden wohl keinen Architekturpreis gewinnen, dafür kann man meist ohne rundreisende Busrentner oder gehetzte Asiaten im heißen Wasser garen.

Neuseeland, Pyramiden und Schwäbische Alb: Für die meisten Urlauber sind das „Once in a Lifetime“-Ziele. Laut Umfragen eines chinesischen Meinungsforschungsinstituts liegt das an der langen Anreise, den aufdringlichen Teppichhändlern sowie dem lästigen Dialekt. Auch Island fällt gemeinhin in die Kategorie „nur einmal im Leben“. Dabei ist die Anreise überschaubar kurz, der Isländer eher zurückhaltend und die Sprache ein Hochgenuss für jeden Liebhaber absurder Idiome. Woran liegt also die lahme Wiederholungsrate beim Besuch? Wahrscheinlich an den Preisen. Man hat das Gefühl, dass die Isländer für jedes Grad Celsius, das sie unter dem europäischen Durchschnitt liegen, einen Euro auf ihre Produkte draufschlagen. Besonders auf Alkohol. Vor Freude möchte man sofort eine zweite Flasche bestellen, wenn im Restaurant das Bier – auf Isländisch „bjór“ – unter zehn Euro kostet.

 

Einfach mal nach Island fliegen, und sich durch den Urlaub treiben lassen wie Dagobert Duck durch seinen Geldspeicher, kann also für eine böse Überraschung im Füllstand der Reisekasse sorgen. Es empfiehlt sich deshalb, möglichst viele Kosten schon vor Reiseantritt im Blick zu haben, zum Beispiel indem man sich für eine Pauschalreise entscheidet, wenn möglich mit Vollpension.

 

Bei Island ProTravel kann man neben der klassischen Busrundreise auch Ferienhäuser, individuelle Fahrten im Wohnmobil oder mit dem Mietwagen inklusive aller Hotels und Frühstück buchen: Island ProTravel, +49 40 286687-200, www.islandprotravel.de. ///

 

Text & Fotos: Carsten Heider

20. Oktober 2023 Travel m #68 zum mate.style.lab