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GANZ VIEL PARADIES
UND EIN BISSCHEN APFEL
Malediven
2. Juni 2019

GANZ VIEL PARADIES UND EIN BISSCHEN APFEL

Irgendwie kennt sie jeder. Früher hatten Reisebüros noch Kataloge, die mit paradiesischen Strandbildern – mit weißem Sand und Palmen – die Leute zum Buchen einer Pauschalreise motivieren sollten. Noch heute sind diese besonderen Farben das Sinnbild für Urlaub.

Raus aus dem Alltag, eine fremde Welt genießen, wo sonst Sascha Hehn mit dem Traumschiff vor Anker geht, ein luxuriöses Sunset-Dinner am Strand und mit einer Meeresschildkröte um die Wette schwimmen: Das ist der Traum, der hier Realität wird.

 

Wie es sich für ein ordentliches Paradies gehört, ist es natürlich nur aufwendig und mit Entbehrungen zu erreichen. Sri Lanka vorgelagert liegt im Indischen Ozean das, was auf Deutsch „Inselkette“ heißt: die Malediven.

 

Wer nun diesen Traum von Urlaub real werden lässt, hat die Qual der Wahl. Auf 26 Atollen gibt es über 1.000 Inseln, von denen immerhin 220 bewohnt sind. Auch preislich ist alles möglich. Über Buchungsplattformen werden Unterkünfte auf der Hauptinsel Malé – wo sich auch der größte internationale Flughafen befindet – ab 30 Euro die Nacht angeboten. Aber es ist auch mühelos möglich, 3.000 Euro die Nacht zu bezahlen. Malé selbst ist ein Moloch und hat nichts mit Hochglanzkatalog zu tun, sodass man dort schnell wieder wegwill. Die Hauptinsel liegt im nördlichen Teil der Inselkette, die sich insgesamt über 870 Kilometer bis südlich des Äquators erstreckt. Manche Hotels haben Boote, die den Gast direkt vom Flughafen abholen und auf die Nachbaratolle fahren, oder man steigt in ein Wasserflugzeug für die etwas weiter entfernten Träume.

Wer es nun wirklich abseits haben will, der kann aber auch hier noch einen Linienflug buchen. Die staatliche Airline Maldivian fliegt mehrmals täglich mit Propellermaschinen auf das südlichste Addu-Atoll. In den 1940er-Jahren hatte hier die Royal Air Force einen Flugplatz eingerichtet, der heute sogar international (z. B. von Sri Lanka aus) angeflogen wird. Dieser Flug ist nichts für hitzeempfindliche Gemüter mit preußischem Pünktlichkeitsverlangen. Nach zwei Stunden Aufenthalt in Malé und weiteren 30 Minuten Bummeln in der Propellermaschine ohne Klimaanlage geht der eineinhalbstündige Flug nach Gan los. Getreu dem Motto „Du kannst nur enttäuscht werden, wenn deine Erwartungen zu hoch sind“ kann also jeder frei entscheiden, in welchem Zustand er im Paradies eintreffen will.

 

Wir werden am Flughafen Gan von der Hoteldelegation empfangen und gehen an Bord eines Boots, um auf die Nachbarinsel des größten Atolls überzusetzen. Das Klima ist spürbar angenehmer als in Malé: weniger Wolken am Himmel und die Luftfeuchtigkeit ist geringer. Als wir uns der Insel Villingili nähern, zeichnen sich die Wasservillen des Resorts am Horizont ab. Ich brauche eine Weile, um diese Eindrücke zu verarbeiten. Kann diese Landschaft überhaupt natürlich sein? Türkises, kristallklares Wasser, das rundherum Badewannentemperatur hat und gern mal nur einen Meter tief ist? Das kenne ich nur aus Disneyland. Die bunten Fische muss hier jemand ausgesetzt haben … für Touristen, na klar! Weißer Sand? Sand ist doch beige. Und auf diesem Sand wächst auch noch eine üppige Vegetation. Unmöglich. Mein Unterbewusstsein kämpft gut 24 Stunden dagegen an, was meine Sinne hier Neues erfahren. Aber schließlich werde ich eines Besseren belehrt. So wunderschön kann Natur sein! Allerdings: Ein bisschen Apfel ist im Paradies immer dabei.

Um welchen Preis machen wir hier Urlaub? Fast alle Hotels und Resorts nutzen ausschließlich Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung. Müll und Schwerölabfall werden trotz einer speziellen Müllinsel meist einfach ins Meer geworfen, Riffe zum Ausbau der Inseln zugeschüttet. Die Arbeitslosenquote unter den Einheimischen ist hoch, da ausländische Arbeiter günstiger sind. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten durch den Tourismus gestiegen. Die Malediven sind eines der ärmsten Länder der Erde.

 

Zum Teil hilft der wachsende Tourismus aber auch, Bildung und Aufklärung in die Region zu bringen. Seit dem Ende der 1990er-Jahre ist immerhin ein Großteil der Inselkette zum Nationalpark erklärt worden, und unser Resort auf Villigili hat die Auflage, zu mindestens fünfzig Prozent Einheimische zu beschäftigen.

Die Anlage auf Villingili macht ihrem Namen schon bei der Ankunft alle Ehre: In einem Roman von James Hilton steht Shangri-La für einen utopischen, paradiesähnlichen Ort. 2004 bekam diese asiatische Luxushotelkette den Zuschlag, hier ein entsprechendes Resort zu bauen. Obwohl die Insel für maledivische Verhältnisse groß ist und es allein über dreißig Wasservillen gibt, hat man doch immer das Gefühl der Ruhe und Einsamkeit. Die Tage vergehen wie im Flug mit Schnorcheln, Radeln, Yoga und essen. Ja sogar der einzige maledivische Golfplatz ist hier, auf dem auch so mancher Promi den Schläger schwingt. ///

 

Text & Fotos: Vasco Pridat