EAT, PRAY, LOVE (& WALK)
2008 veröffentlichte „National Geographic“-Autor Dan Buettner seinen Bestseller „The Blue Zones: Lessons for Living Longer From the People Who’ve Lived the Longest“. In diesem beschreibt der Reporter und passionierte Radfahrer ein globales Phänomen, das einige Menschen offenbar länger leben lässt als den Rest unserer Spezies. An bestimmten Orten, die von Buettner als Blue Zones bezeichnet werden, scheint der Zahn der Zeit nämlich gemächlicher an seinen Bewohnern zu nagen als andernorts. Aber warum leben diese Menschen länger als andere?
In seiner Erforschung der Blue Zones, die erstmals von den Wissenschaftlern Gianni Pes und Michel Poulain beschrieben wurden, identifizierte Buettner fünf Regionen, in denen es mehr Menschen gibt, die 100 Jahre oder älter werden, als irgend sonst auf der Erde: Sardinien, Ikaria in Griechenland, Okinawa, Loma Linda in Kalifornien und die Nicoy-Halbinsel in Costa Rica.
EAT
Schaut man sich einmal die Ernährungsgewohnheiten der Menschen an, die in den von Buettner beschriebenen Blue Zones leben, muss man feststellen: In allen fünf Regionen gilt die Faustregel „weniger ist mehr“. Kohlenhydratarmes Gemüse, wenige oder keine Milchprodukte und noch weniger Fleisch landen auf den Tellern. Dafür werden umso mehr Nüsse gegessen, Beeren und Früchte, die besonders reich an Antioxidantien sind (also entzündungshemmenden Stoffen), Olivenöl, Bohnen in jedweder Form und regelmäßiger Genuss von Alkohol. Ja, richtig gehört! Wer länger leben will, soll saufen. Gut, in Maßen. Eigentlich nur ein bis zwei Gläser, dafür aber täglich. Auf Sardinien schwört man beispielsweise auf den lokal angebauten Wein und Ziegenmilch. Auf Okinawa trinkt man statt Wein Sake. Einen Unterschied scheint es nicht zu machen. Auch hier zählt man mit achtzig noch zu den jungen Hüpfern. Seegras, Kurkuma und Reis sollen außerdem zur Langlebigkeit beitragen. Auf abgepackte und industriell verarbeitete Produkte wird in den Blue Zones weitestgehend verzichtet. Fleisch wird nur etwa fünf Mal im Monat gegessen, und die kleinste Mahlzeit des Tages ist das Abendbrot, das häufig schon am späten Nachmittag eingenommen wird. Auf Okinawa praktizieren die Menschen außerdem das traditionelle „Hara hachi bu“, das hier schon die ganz Kleinen lehrt, mit dem Essen aufzuhören, wenn der Magen FAST voll ist.
PRAY
Ein Großteil der Menschen, die in den Blue Zones leben, beschreiben sich selbst als gläubig oder zumindest als spirituell. Welcher Glaubensgemeinschaft sie angehören, ist dabei völlig egal. Die meisten der 20.300 Einwohner im kalifornischen Loma Linda sind Mitglieder der protestantischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Diese verbietet unter anderem das Fernsehen, das Rauchen und auch das Tanzen. Inwieweit ein tanzfreies Leben ein gesünderes Leben ist, können wir nicht beurteilen, geraucht wird aber zum Beispiel auch in den anderen Blue Zones nicht.
Auf Okinawa leben die Menschen nach dem „Ikigai“-Mantra, auf der Nicoyan-Halbinsel folgen sie dem Sprichwort „Plan de vida“. Beides lässt sich auf ähnliche Weise übersetzen: „Einen Grund haben aufzustehen“. Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen mit einem Sinn im Leben rund sieben Jahre länger leben. Und damit ist nicht zwingend die Arbeit oder beruflicher Erfolg gemeint. Blue Zoners sind Experten in Stressbewältigung. Auf Okinawa wird einmal am Tag der Ahnen gedacht, die Adventisten beten, die Menschen auf Ikaria halten ein Mittagsschläfchen, und auf Sardinien wird täglich Siesta gemacht.
LOVE
Family first! Wer hundert Jahre oder älter werden will, sollte sich ein Beispiel an den Bewohnern der Blue Zones nehmen und eine gute Beziehung zu seiner Familie pflegen. Oft leben mehrere Generationen im selben Haushalt oder zumindest in unmittelbarer Nähe. Die meisten leben in einer Beziehung, was laut diverser Untersuchungen zu mindestens drei Jahre längerer Lebenserwartung führt. Sex im hohen Alter halbiert die Sterblichkeit sogar um die Hälfte. Dafür reicht schon zweimal intensives Kuscheln mit dem Partner pro Woche.
WALK
Menschen in den Blue Zones pumpen keine Gewichte, sie versuchen sich nicht in Triathlons, und die meisten haben ein Fitnessstudio noch nie von innen gesehen. Dafür bewegen sie sich auf natürliche Weise oft mehr und länger als andere Menschen. Strecken, die zu Fuß bewältigt werden können, werden gelaufen. Wer das Land hat, unterhält einen Garten, in dem jene Nahrungsmittel angebaut werden, die ebenso bedeutend für die Blue-Zones-Diät sind. Wer regelmäßig aktiv ist, beugt Entzündungen vor, die als Hauptursache für die meisten altersbedingten Krankheiten gelten. Außerdem reduziert ein aktives Leben das Risiko, an Krebs oder Osteoporose zu erkranken. ///
Text: Felix Just / Illustrationen: Pavel Mishkin