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DER ROCKENDE
SCHUHDESIGNER
Fashion
2. Januar 2009

DER ROCKENDE SCHUHDESIGNER

Lange habe ich über eine richtige Überschrift nachgedacht, denn wenn in den zwei Stunden unserer Begegnung in seiner niederländischen Heimat eines deutlich wurde, dann die Abneigung des Floris van Bommel gegen elitäre Imagebildung. Der Lederjacken tragende, nackt für seine Schuhe modelnde und Rockmusik spielende Spross der traditionsschweren „königlich“ holländischen Schuhfabrik bricht mit den Konventionen seiner Herkunft und präsentiert sich lieber auf MySpace.

Dass wir uns eigentlich nichts zu sagen haben, wird mir schon klar, als er mich in einem Mustang abholt. Am Armaturenbrett steckt ein Playboy-Bunny. „Ich liebe Gegensätze“, sagt Floris. Wird wohl so sein, denn in den PR-Unterlagen stand, er mag das Café von Dolce & Gabbana in Mailand, Helmut Lang Parfüms und teure Flüge (geht in Ordnung). Gleichzeitig zeigt er sich äußerlich unprätentiös in Lederjacke, Jeans und natürlich eigenen Sneakers.

Seine Lieblingstiere, so heißt es, seien Muscheln, weil sie sich nicht in ihrer Ruhe stören lassen. Wohl eher, weil auch sie den Mund nicht aufkriegen. Da sitzen wir also bei ihm zu Hause und ringen mit den Themen. Na gut, es ist wohl seine erste Homestory und er ist wohl im Herzen ein introvertierter Typ. Außerdem, wer will schon wildfremde Personen durch sein Schlafzimmer laufen sehen. Floris hier, Floris dort, sitzen, stehen, liegen – so lange, bis die Einstellungen für die Fotografin stimmen. Und ich bestehe (!) auf ein Schlafzimmerfoto. Wollen wir doch mal sehen, ob wir die Muschel nicht geöffnet kriegen.

Ob er einen Freund habe, überfalle ich ihn, während unser Tross durch die Küche marschiert. Maßanfertigung natürlich. Ist ja auch ein altes, sehr enges Haus, das er gekauft und aus Zeitmangel erst vor kurzem begonnen hat, wohnlich zu gestalten. Unten Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und Garten. Zweite Etage Schlafzimmer, Bad und Gästezimmer. Auf dem Dach eine Sammlung all seiner Konzerteintrittskarten, Probenraum und ein Schlachtfeld von Wäsche. Liebenswert ist vor allem, dass die Gegensätze nicht versteckt oder zu glätten versucht werden. Er murmelt, dass er sich immer nur in Jungs auf der Straße verguckt, aber nix real wird. Oder etwas ähnlich sympathisch Neurotisches.

Das Haus steht in Tilburg, nicht weit vom heutigen Standort der Produktion, der Bestandteil des neuen Firmenlogos wurde. Paris, Tokio, Moergestel – so tickt man selbstbewusst bei Familie van Bommel. „Wichtigstes Kapital: die engen Familienbande, die sich auch heute in der 9. Generation zwischen den jungen Brüdern Reynier (34), Floris (32) und Pepijn (28) bestens bewähren“, heißt es in der Firmenbroschüre. Floris amüsiert sich eher darüber, dass er seinem Bruder vorgeschrieben hat, dieser müsse einen Anzug tragen. Der Kreativkopf hingegen kann sich lässig geben und einen Werbespot für MTV selbst komponieren und auch gleich singen. Überhaupt scheint seine Beteiligung an dem großen Erfolg der modernisierten Marke eher ungeplant. Sein Vater spürte wohl das schlummernde Talent für eine Neuausrichtung der Marke durch seinen zweitältesten Sohn und köderte ihn gekonnt, indem er eine neue Kollektion nach ihm benannte. Mit 25 Jahren übernahm Floris dann die Verantwortung für Design und Marketing. „We do shoes“, sagt er in seinem selbst gedrehten und verwackelten Einladungsvideo für die Bread & Butter, „but I call them friends.“

Die Konfrontation der Tradition mit der Moderne ist eine Gabe, die ihm scheinbar intuitiv gelingt und völlig authentisch wirkt. Dabei werden auf der Produktionsebene keinerlei Kompromisse geduldet. Nicht nur die Maßanfertigungen, auch die Sneakers genügen höchsten Material- und Verarbeitungsanforderungen und sind dabei mit 250 Euro nicht teurer, als andere massengefertigte Lifestyle-Sportschuhe made in China. Was seine Inspiration zu den ständig neuen Formen und Farben sei, frage ich. Ach, an Inspiration fehle es ihm eigentlich nie, höchstens an Motivation. Grins. /// www.florisvanbommel.de

 

Text: Olaf Alp / Foto: Anja Freres