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DER MADONNA-EFFEKT
„Jung durch Sport? Aber Ja!“
16. Juni 2016

DER MADONNA-EFFEKT

Bislang hat man angenommen, dass Muskeln nur etwas mit Eitelkeit und Egomanie zu tun haben, und sie folglich als Teil des modernen Schönheitswahns abgeschrieben. Doch Untersuchungen beweisen, dass gerade Krafttraining und eine starke Muskelaktivität einen regelrechten Anti-Aging-Effekt haben. Mehr Muskeln = jünger, vitaler, intelligenter und glücklicher. Das Paradebeispiel: Madonna.

 

IT’S IN VOGUE

Was sich anhört wie ein Werbeversprechen aus einer PR-Abteilung, ist tatsächlich nachgewiesen worden: In Dänemark fanden Forscher heraus, dass Muskeln chemische Signale freisetzen, die Fettdepots auflösen, das Immunsystem positiv beeinflussen, Diabetes verhindern, Blutdruck senken und sogar auf die Gehirnleistung einwirken können. Die Botenstoffe sind der Grund dafür, dass Bewegung bei vielen Krankheiten hilft, denn sie nehmen maßgeblichen Einfluss auf den Stoffwechsel. Obwohl man dem maßvollen Sporttreiben schon immer viele positive Effekte zugeschrieben hat, ist diese Erkenntnis dennoch bahnbrechend, denn erstmals wurden chemische Zusammenhänge zwischen Muskelaktivität und Jugend, Intelligenz, Gesundheit und Zufriedenheit nachgewiesen. Muskeln haben also nicht wie bislang angenommen nur eine körperhaltende und Tüten tragende Funktion, sondern leisten viel mehr als das. Von nun an sind dicke Muskeln kein Accessoire mehr, sondern ein Indikator für körperliche und geistige Vitalität.

 

BEAUTY STAR

Ein Durchschnittsmensch verliert ab dem 30. Lebensjahr etwa drei Kilogramm Muskelmasse pro Dekade. Das führt unweigerlich zu Übergewicht, denn viele Muskeln bedeuten auch einen höheren Energieumsatz. Gehen sie verloren, sinkt dieser, und bei unveränderten Essgewohnheiten setzen sich vermehrt Fettdepots an. Doch diese Erkenntnis ist nicht neu. Verblüffend ist allerdings die Tatsache, dass aktivierte Muskeln Botenstoffe ausschütten, die das Fett direkt über den Muskeln sozusagen zum Schmelzen bringen. Forscher haben nämlich festgestellt: Je größer der Muskel, desto dünner ist die darüberliegende Fettschicht der Haut. Was jeder normale Sportmediziner als absoluten Quatsch bezeichnen würde, geht also doch: Man kann sein Sixpack durch gezieltes Bauchtraining herausmodellieren. Dabei wird automatisch die Haut gestrafft, weil Muskeltraining auch die körpereigene Kollagenproduktion stimuliert, um die Sehnen zu stärken. Zudem vermehren Kraftübungen auch die Stammzellen und verjüngen so das Gewebe. Jung durch Sport? Aber Ja!

 

HUMAN RESEARCH

An Mäusen wird bereits Genforschung im Bereich der Muskelaktivität betrieben: Ihr Erbgut kann dabei so verändert werden, dass sie ohne Training die Statur einer Bodybuilder-Maus entwickeln. In einem Versuch hat der Molekularbiologe Walsh die Mäuse zunächst extrem fettreich und süß ernährt, sodass sie Übergewicht und Anzeichen von Diabetes entwickelten. Hinterher aktivierte er das „Muskel-Gen“, worauf hin sich der Stoffwechsel normalisierte und die Tiere abnahmen. Walsh ist überzeugt, dass in diesem Fall die Botenstoffe aus der Muskulatur dem Körper das Signal zur Fettverbrennung gaben. Eine weitere Forscherin aus Kopenhagen fand heraus, dass die Muskeln einen Botenstoff namens Interleukin-6 ausschütten. Das Eiweiß steht vermutlich hinter vielen der zahlreichen positiven Wirkungen von Sport. Dabei ist es nur eine von etwa fünfzig Substanzen, die die Muskeln beim Sport ausschütten und die sich auf den Stoffwechsel des Körpers auswirken.

 

EXPRESS YOUR HEALTH

Nicht minder erstaunlich ist die Erkenntnis, dass Muskelaufbau selbst bei Bluthochdruck hilft. Bei leicht erhöhtem Training entstehen im Muskel neue Gefäße, die alten weiten sich, wodurch das Blut besser fließen kann. Außerdem stärkt Muskeltraining die Knochen und mindert Schmerzen bei Gelenkbeschwerden. Dass Sport und die damit einhergehende Muskelaktivität für einen gesunden, vitalen Körper mit geringem Fettanteil sorgt, scheint noch leicht nachvollziehbar. Aber dass er auch noch das Risiko für Alzheimer senken soll, klingt schon sehr faszinierend. So entdeckten die Forscher, dass durch Muskelkontraktion eine Substanz produziert wird, die das Nervenzellenwachstum anregt. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Intelligenzleistung von Ausdauersportlern aus: Bereits 15 Minuten Sport dreimal wöchentlich reduzieren das Risiko an Alzheimer zu erkranken um dreißig bis vierzig Prozent. Aber Muskelsignale haben nicht nur eine positive Wirkung auf die Intelligenz, sondern auch auf die Stimmung. Dass man sich nach dem Training gut fühlt, ist ein weit verbreiteter Erfahrungswert, an dem eben auch biochemische Prozesse mit Botenstoffen beteiligt sind. Regelmäßiger Sport hilft nachweißlich bei depressiven Patienten durch die Ausschüttung der sogenannten Glückshormone.

 

THE POWER OF GOOD GENETICS

Wie viele Muskeln ein Mensch aufbaut, ist höchst unterschiedlich. In einem Versuch US-amerikanischer Forscher trainierten 742 Probanden zwanzig Wochen lang exakt gleich. Dabei sprachen einige der untersuchten Personen kaum an, bei anderen wiederum schienen die Muskeln fast von selbst zu wachsen. Auch die „Bed Rest“-Studie untermauert die unterschiedliche genetische Disposition beim Muskelaufbau. Obwohl zwanzig Testpersonen allesamt zwei Monate im Bett verbrachten, schrumpfte die Muskelmasse bei einigen um lediglich 12 Prozent, bei anderen dagegen um gravierende 30 Prozent. Klar ist, dass die Gene beim Muskelwachstum eine große Rolle spielen. Zu etwa vierzig bis sechzig Prozent entscheidet das Erbgut, wie kräftig jemand wird und wie gut er Muskeln bilden kann. Wer es unbedingt wissen will, der kann seine genetische Disposition testen lassen und erfahren, wie gut oder wie schlecht er die schnellen und kräftigen Muskelfasern (Typ 1) oder die ausdauernden (Typ 2) bilden kann (siehe Info 2). Um das Maximum aus seinem natürlichen Leistungspotenzial herauszuholen, bietet Genetic Technologies einen Gentest an (GTG.COM.AU). Allerdings bezieht sich dieser Test nur auf den DNA-Abschnitt ACTN3 und gilt daher als wenig repräsentativ. Es wird aber bereits daran geforscht, eine Übersicht aller Gene zu erstellen, die für die sportliche Leistung wichtig sind. Bislang wurden etwa 150 gefunden. Dennoch braucht sich niemand seinen Genen ausgeliefert zu fühlen – stattdessen sollte man einfach auf seinen Körper hören. Mache ich lieber Cardio- oder Hanteltraining? Sind die Leistungszuwächse beim Joggen oder beim Bankdrücken größer? Neige ich zu einer schlanken, sehnigen oder zu einer kräftigen, bulligen Figur? Verausgabe ich mich lieber kurz und intensiv oder lang und ausdauernd? Anhand dieser kleinen Selbstanalyse findet man einfacher eine Sportart, die zum persönlichen Muskeltyp passt. – Dann klappt es auch mit dem Madonna-Effekt. ///

 

Text: Martin Lewicki / Foto: Steven Klein

 

16. Juni 2016 Body m #24 zum mate.style.lab