DEKADENT
Mit dem „Arrow460-Granturismo“ hat sich Automobilhersteller Mercedes Benz nun erstmals seit 1885 wieder an ein Bootsdesign gewagt. Gottlieb Daimler baute damals ganz einfach einen Ottomotor in ein Boot ein. Mit 6 Metern Länge und ganz ohne jeden Komfort auskommend hatte der Kahn mit dem temporeichen Design von heute wenig zu tun. Die Adastra-Yacht der australischen Bootsschmiede McConaghy Boats gilt als eine der schönsten und extravagantesten Superyachten der jüngeren Vergangenheit. Bei den Italienern von Perini Navi setzt man dagegen vornehmlich auf traditionelle Segelyachten, die sich vor ihren motorisierten Konkurrenten in Sachen Luxus und Komfort keineswegs verstecken müssen und bei denen die Komponente „Abenteuer“ im Kaufpreis schon inbegriffen ist. Wir haben sie gefunden, die coolsten und dekadentesten unter den Superyachten.
ZAHA HADID FÜR BLOHM+VOSS
Zaha Hadid war vielleicht die beste Architektin, die die Welt bis dato gesehen hat. Auf jeden Fall war sie eine der erfolgreichsten. Die Britin mit irakischen Wurzeln erlangte erstmals internationale Aufmerksamkeit, als sie 1993 eine Feuerwache für das rheinische Weil entwarf. Das Vitra-Feuerwehrhaus markierte außerdem den Beginn einer Liebe, die bis zum Tod Hadids in diesem Jahr halten sollte. Hadid und der Beton waren seit diesem ersten Erfolg ein untrennbares Gespann, und so kam sie in den Jahren darauf mit immer wahnwitzigeren Ideen daher, den harten Beton in organische und ungewohnte Formen zu gießen. Hadid war die erste Frau, die den Pritzker-Preis erhielt – den Oscar der Architekturszene, wenn man so will. Hadid beschäftigte sich in ihrer mehrere Dekaden umspannenden Karriere aber nicht nur mit dem Bau prestigeträchtiger Gebäude. Den für sie typischen Stil aus Zellen und Wabenformen übertrug sie auch auf Gebrauchsgegenstände und designte für die deutsche Reederei Blohm+Voss gleich zwei Superyachten. Wasser und nautische Themen waren Hadid nicht unbekannt. Schon 2012 staunten die Zuschauer der Olympischen Spiele nicht schlecht, als sie in London plötzlich drei Sprungtürmen aus Beton gegenübersaßen, die wie überdimensionale Zungen aus dem Boden schossen. Für Blohm+Voss kreierte Hadid eine 128 Meter lange Superyacht und das JAZZ-Yacht-Designkonzept, das, würde man es bauen, immerhin noch 93 Meter lang wäre und Platz für 16 Gäste und 22 Crewmitglieder hätte. / www.blohmvossyachts.com
ADASTRA
Würde es einen Miss Superyacht Contest geben, die Adastra würde ihn gewinnen. Das schlanke Trimaran-Design ist weltweit einzigartig, und so wundert es nicht, dass auch vier Jahre nach Fertigstellung der Adastra noch immer Facebook- und Instagram-Posts begeisterter Yachtfans auftauchen, wann immer sie in einen Hafen einfährt. Dabei ist das Design der Adastra noch lange nicht das beeindruckendste Feature. Die Bauweise und die drei Motoren – ein Hauptmotor und zwei äußere Motoren – sind so effizient, dass die Yacht bei einer Ladung von 20 Tonnen Benzin und Frischwasser und bei einer Geschwindigkeit von 10,5 Knoten (rund 20 km/h) gerade einmal 25 Liter pro Stunde verbraucht. Und das bei einer Länge von 42,5 Metern! Maximal fasst die Adastra 2.700 Liter Frischwasser und bis zu 32.000 Liter Benzin. Die Maximalgeschwindigkeit liegt bei 22,5 Knoten, und bis zu einer Geschwindigkeit von 17 Knoten schafft sie eine Reichweite von 4.000 nautischen Meilen oder 7.408 Kilometern. Damit kann das Aushängeschild der McConaghy-Reederei locker den Atlantik überqueren. Aufgrund der modernen Bauweise ist das auch kein Problem. So steckt die Adastra Wellen bis zu 4 Metern Höhe und Windgeschwindigkeiten von 50 Knoten locker weg. Die neun Passagiere (und sechs Crewmitglieder) werden im Inneren der Luxusyacht davon aber nur wenig mitbekommen. Vielleicht machen sie sich auch gerade Gedanken, ob sie wirklich 15 Millionen für ein Boot hätten ausgeben sollen. / www.mcconaghyboats.com
ARROW460-GRANTURISMO
38 Knoten Maximalgeschwindigkeit, Platz für zehn Passagiere und ein eigener Weinkeller: Die Arrow460-Granturismo von Mercedes-Benz will so etwas wie die S-Klasse der Bootindustrie werden. Gut, mit 14,1 Metern gilt sie zwar streng genommen nicht als Superyacht, findet wegen des traditionell schicken Benz-Designs in dieser Liste aber dennoch Erwähnung. Das Besondere an dem ersten Boot aus der Stuttgarter Designschmiede seit Gottlieb Daimlers motorisierter Nussschale: Die Arrow460-Granturismo ist Rumpfkabinenkreuzer auf der einen Seite, erweckt aber auch Assoziationen eines offenen Bootes dank der schlanken Linie und den großzügigen offenen Flächen. Wem der Sinn nach noch mehr Wind um die Nase steht, kann die Frontscheibe anheben: Cabrio-Feeling also jetzt auch auf dem Wasser! Alle Scheiben sind zudem mit der „Mercedes-Benz MAGIC SKY CONTROL“-Technologie ausgestattet und können bequem per Knopfdruck verdunkelt werden. Kosten: rund 2,5 Millionen Euro. / www.mercedes-benz.com
PERSEUS^3
Rekord! Mit 2.602 Quadratmetern darf sich die Perseus^3 von Perini Navi über das größte Einzelsegel der Erde freuen. Das wird auch dringend benötigt, um die 60 Meter lange Yacht mit einer Bruttotonnage von knapp unter 500 Tonnen erst einmal in Fahrt zu bringen. Ein Tiefgang von bis zu 12,30 Metern überrascht bei diesen Ausmaßen niemanden. Über 3.000 Sensoren am Schiff helfen dabei, die riesige Segelyacht im Zaum zu halten. Der 74 Meter hohe Mast der Perseus^3 – übrigens der dritthöchste aller existierenden Segelyachten – machte bei der Entwicklung eine Verlegung der Püttings und des Kiels notwendig, denn tatsächlich war die Yacht zunächst als Zweimaster geplant. Wer die Perseus^3 für eine Woche chartern will, muss tief in die Tasche greifen: Rund 250.000 Euro kostet es, mit der Schönen auf Segeltörn zu gehen. Platz haben auf dem Rekordsegler bis zu zwölf Gäste, elf Crewmitglieder, ein Fitnessstudio und ein Jacuzzi. /// www.perininavi.it
Text: Felix Just
Schlagworte: Design, Mobility, Yachts