-
-
-
 
BROTHERS & MISTERS
„Viele Menschen glauben, es geht in einer Beziehung in erster Linie darum, so lange wie möglich zusammen zu sein.“
5. Juli 2016

BROTHERS & MISTERS

Geboren in Philadelphia und aufgewachsen in New Jersey hat es Multitalent Carl Sandler irgendwann nach New York City verschlagen. Nach ersten Schritten in der Welt der Entertainmentsoftware bei Tribeca Productions entwickelte Sandler 2011 eine eigene Dating-App für Männer: MISTER. Zwischendurch schrieb er eine Kolumne für The Huffington Post und moderierte regelmäßig eine Morgenshow im Radio. Einmal im Monat trifft Sandler einen Haufen anderer Unternehmer zum Brunch – eine Art schwule Bruderschaft, die da bei Kaffee und Donuts neue Geschäftsmodelle und Projekte diskutiert. Aber was genau passiert bei diesen Brunchs? Warum eine weitere Kuppel-App auf den Markt bringen? Und hat Sandler selbst schon den MISTER fürs Leben gefunden? Im Interview mit dem Geschäftigen haben wir außerdem erfahren, dass Kolumnisten keine Therapeuten sind, Single zu sein nicht das Ende der Welt bedeutet und schwule Männer zu wenig lesen.

 

DEINEN ERSTEN RICHTIGEN JOB HATTEST DU BEI TRIBECA PRODUCTIONS. WIE KOMMT MAN DARAUF, VIDEOSPIELE ZU ENTWICKELN?

Als ich meinen Abschluss an der Stanford University machte, steckte das Internet zwar noch in den Kinderschuhen, war aber kurz davor, zum Massenmedium zu avancieren. Mit dem Netz waren auch Videospiele auf dem Vormarsch. Ich habe diesen Typen getroffen, der für Tribeca Productions arbeitete. Der hat mich dann als Assistenten angestellt, und bald wurde ich Junior Producer für „Nine“, ein interaktives Spiel, für das unter anderem Aerosmith und der Künstler Mark Ryden Pate standen.

 

2011 HAST DU DEIN EIGENES INTERAKTIVES SPIEL GELAUNCHT, EINES FÜR ERWACHSENE. WARUM EINE WEITERE DATING-APP AUF DEN MARKT BRINGEN?

Mir war aufgefallen, dass den gegenwärtigen Apps für Männer etwas fehlte: Respekt. Ich wollte eine App, die die User ermutigt, respektvoll miteinander umzugehen, eine App, die bestärkt und nicht verunsichert. Ich glaube, mit MISTER haben wir eine solche digitale Umgebung geschaffen.

 

DAFÜR IST JA HAUPTSÄCHLICH DER MISTER CODE VERANTWORTLICH.

Es ist im Grunde genommen nur ein ganz kurzes Register an Verhaltensregeln, die die User bei Eintritt in die Community unterzeichnen können. Es geht dabei hauptsächlich um einen freundlichen Umgang miteinander, frei von Vorurteilen. Rund 95 Prozent unserer Mitglieder unterzeichnen diesen Code auch. Die Männer, die dem Code nicht zustimmen, haben auf MISTER sowieso nichts verloren.

 

DU HAST REGELMÄSSIG EINE MORGENSHOW IM RADIO MODERIERT. WORUM GING ES DA SO?

Meist spreche ich über Themen, die mich in meinen eigenen Leben gerade bewegen. Ich versuche Dinge anzusprechen, die sich die meisten nicht trauen anzusprechen.

 

DU HATTEST AUCH EINE KOLUMNE IN THE HUFFINGTON POST: „ASK MISTER CARL“. DIE MEISTEN LESER WOLLTEN TIPPS IN SACHEN LIEBE. HAST DU AUF ALLE BEZIEHUNGSFRAGEN EINE ANTWORT?

Zuallererst muss ich sagen, dass ich kein Experte bin. Es ging in der Kolumne auch gar nicht darum, die eine Lösung zu finden, zumal es die für die meisten Probleme sowieso nicht gibt. Vielmehr habe ich versucht, Denkanstöße zu geben, und gehofft, dass der Leser irgendwie die Antwort auf seine Frage selbst finden würde. Mir ist schon klar, dass das ein bisschen nach Wischiwaschi klingt … Mir war aber wichtig, dass der Leser versteht, dass er sich nicht blind auf den Rat eines Kolumnisten verlassen kann. Die wenigsten Probleme lassen sich in ein paar Absätzen lösen.

 

CEO VON MISTER, KOLUMNIST, RADIOMODERATOR – HAST DU DA AUCH MAL ZEIT FÜR DICH?

Gute Frage. Mein Arbeits- und mein Privatleben sind irgendwann verschmolzen. Das kann Segen und Fluch zugleich sein. Ich habe zwar viel Spaß an meiner Arbeit, aber es ist mitunter einfach zu viel. Ich musste lernen, auch Nein sagen zu können und für die Dinge Zeit zu schaffen, die mir wichtig sind: mein Volleyballteam, meine Freunde und natürlich die tollen Typen, die ich auf MISTER treffe. (grinst)

 

JEDEN MONAT TRIFFST DU DICH MIT ANDEREN SCHWULEN UNTERNEHMERN ZUM BRUNCH. ERZÄHL MAL!

Maneesh Goyal von MKG Productions und Live In The Grey sowie Josh Wood, Präsident von Josh Wood Productions, haben diesen monatlichen Brunch initiiert. Ich bin vor ein paar Jahren hinzugestoßen. Es ist nur eine kleine Gruppe von Unternehmern, meist zwischen zehn und zwanzig Personen. Manchmal laden wir Sprecher ein, dann wieder reden wir über unsere eigenen aktuellen Geschäftsideen und Probleme, manchmal sprechen wir einfach über Kekse. Yup, einer der Teilnehmer ist nämlich Keksfabrikant und nicht unerfolgreich. Nur schade, dass er nicht nach Deutschland liefert.

 

UND DA HILFT MAN SICH AUCH MAL GEGENSEITIG AUS?

Ich habe schon viel von den anderen Unternehmern gelernt, aber vor allem haben sie mir ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Die wenigsten haben so ein Sicherheitsnetz, wenn sie ihr Business starten, und müssen die ersten Schritte ganz allein gehen. Ich habe bei unseren Treffen aber auch tolle Freundschaften geschlossen.

 

HAST DU DAS GEFÜHL, SCHWULE MÄNNER SIND GRUNDSÄTZLICH EHER BEREIT, ANDEREN UNTERNEHMERN UNTER DIE ARME ZU GREIFEN?

Ich kann nur für mich selbst sprechen und muss sagen, dass ich in all den Jahren als Unternehmer und Geschäftsführer immer viel Unterstützung von Kollegen erfahren habe – von schwulen wie heterosexuellen. Meine schwulen Unternehmerfreunde haben sich allerdings mitunter überschlagen, um mir zu helfen. Vielleicht liegt es daran, dass ich auch zurückgebe, wann immer sich die Gelegenheit ergibt. So wie man in den Wald hineinruft, schallt es auch wieder heraus. Dieses Sprichwort hat sich für mich bewahrheitet.

 

WELCHEN TIPP WÜRDE MISTER CARL DEM MATE-LESER GEBEN?

Ich glaube ganz fest daran, dass wir für Beziehungen geschaffen sind. Die können aller Art sein: Freundschaften, Langzeitbeziehungen, One-Night-Stands. Man muss nur allem gegenüber offen sein. Viele Menschen glauben, es geht in einer Beziehung in erster Linie darum, so lange wie möglich zusammen zu sein. Ich selbst mache die Bedeutung einer Beziehung nicht von ihrer Dauer abhängig. Oft ist es auch so, dass wir uns auf die Beziehung fixieren, nach der wir uns sehnen, und dabei vergessen, die zu genießen, die wir haben. ///

 

Interview: Felix Just