-
-
-
 
BIOLOGIC
Bakterien kommen jetzt ganz groß in Mode!
16. Januar 2018

BIOLOGIC

Bakterien auf der Kleidung? Klingt zunächst nicht nach einem Trend, den die großen Modehäuser begeistert aufgreifen werden. Man stelle sich nur die armen Mitarbeiter in der Marketingabteilung vor. Jifei Ou vom MIT Media Lab im US-amerikanischen Cambridge aber ist sich sicher, dass Bakterien die Zukunft im Produktdesign sind. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelte er einen Sportanzug, der dank dem Einsatz eines bestimmten Bakteriums wie eine zweite Haut „atmet“.

DU UND DEIN TEAM AM MIT MEDIA LAB HABT EINE ART ZWEITE HAUT ENTWICKELT, DIE AUF HITZE UND KÄLTE REAGIERT. KANNST DU ERKLÄREN, WIE BIOLOGIC FUNKTIONIERT?

Diese „zweite Haut“, von der du sprichst, ist ein Stoffhybrid aus Latex und einer gedruckten Schicht lebender Bakterien. Diese Bakterien reagieren genau genommen nicht auf Wärme und Kälte, sondern auf die relative Luftfeuchtigkeit ihrer Umwelt. Sie schwellen an oder schrumpfen zusammen. So wird ein Ausdehnen und Zusammenziehen des Stoffs provoziert. Mein Team und ich haben uns diese Eigenschaft zunutze gemacht und einen Sportleranzug entwickelt, auf dessen Rücken wir den Stoffhybriden partiell eingesetzt haben. Wenn der Athlet also schwitzt, öffnen sich die „Poren“ des Stoffs und der Körper kann bei großer Hitze schneller abkühlen.

 

WIE SEID IHR AUF DIE IDEE GEKOMMEN?

Die Idee kam uns, als wir erstmals von dem hygromorphen Verhalten (das Anschwellen und Zusammenziehen von Zellmaterial bei unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit, Anm. d. Red.) des Bacillus subtilis Natto hörten. Wir wollten ein Design entwerfen, das den Menschen näherbringt, wie nützlich der Einsatz von Bakterien sein kann.

 

IMMER MEHR DESIGNER UND PRODUKTENTWICKLER ARBEITEN MIT BAKTERIENKULTUREN. IN MATE HABEN WIR VOR KURZEM EINE BIOLUMINISZENTE LAMPE VORGESTELLT. WERDEN UNS BALD IMMER MEHR BAKTERIEN IM ALLTAG BEGEGNEN?

Wenn du dich mal genau umschaust, dann wirst du schnell feststellen, dass Bakterien schon heute mehr Teil unseres alltäglichen Lebens sind als zum Beispiel Smartphones und Computer. Bakterien wandeln unsere Nahrung in Energie um, sie halten uns gesund und haben sogar Einfluss auf unser Denkvermögen. Je besser wir verstehen, wie Bakterien funktionieren, umso gezielter können wir sie in der Entwicklung von neuen Produkten einsetzen.

 

WOHER STAMMT DAS BAKTERIUM, DAS IHR FÜR BIOLOGIC VERWENDET HABT?

Das Bakterium trägt den Namen Bacillus subtilis Natto und wurde vor über einem Jahrtausend von einem Samurai in Japan entdeckt. Der Mikroorganismus lebt unter anderem in getrockneten Reisstängeln. Aus diesen Reisstängeln hat man damals Körbe geflochten, in denen die Bauern Sojabohnen transportiert haben. Später fand man heraus, dass das Bakterium im Inneren der Stängel die Bohnen zur Gärung gebracht hat. Heute ist „Natto“ ein traditionelles Sojagericht in Japan.

 

DU HAST AUSSERDEM AN EINEM PROJEKT MIT DEM TITEL „INFLATED APPETITE“ GEARBEITET. WAS VERBIRGT SICH DAHINTER?

„Inflated Appetite“ ist der Versuch, unsere Wahrnehmung der Form von Nahrungsmitteln auf die Probe zu stellen. Wir wollten wissen, wie man neue digitale Herstellungsverfahren am Herd integrieren kann. Dabei ist unter anderem ein pneumatisches System entstanden, das uns erlaubt, Brotteig aufzublasen und so eine hauchdünne Kruste mit detaillierter Struktur entstehen zu lassen.

 

HABT IHR AUCH EINFACH MAL „NUR SPASS“ IM LABOR?

Im Labor gibt es unterschiedliche Wege zur Erkenntnisgewinnung. Manche sind sehr funktionsorientiert, andere sind auf den ersten Blick eher hedonistischer Natur. Mann muss sich das Ganze vorstellen wie die zwei Seiten der Doppelhelix einer Kreativ-DNA. Unser Labor arbeitet anti-disziplinär. Was das MIT Media Lab von anderen Einrichtungen unterscheidet, ist, dass die Mitarbeiter ermutigt werden, über die Grenzen ihres Fachgebiets hinaus zu träumen und auch mal ein bisschen zu spinnen. /// www.media.mit.edu

 

Interview: Felix Just

16. Januar 2018 Fashion m #51 zum mate.style.lab