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ART HIGHLIGHT
„Die Ästhetik und die Emotion, die eine Skulptur auslöst, sind immer noch die wichtigeren Aspekte, denn die verstehen die Leute als Erstes.“
14. Februar 2017

ART HIGHLIGHT

Es gibt Künstler, die schaffen Skulpturen aus Stein, aus Ton, aus Holz und im Vorschulalter auch gerne aus Speckstein. Moritz Waldemeyer schafft Skulpturen aus Licht. Beim Technologiekonzern Philips entdeckte er seine Leidenschaft für das Medium. Heute realisiert der Wahllondoner deckenfüllende und raumgreifende Installationen für große Unternehmen sowie Licht speiende Bühnenoutfits für Stars wie will.i.am, Robyn und Kylie Minogue.

DU ENTWIRFST LICHTLÖSUNGEN FÜR HOTELS, SKULPTUREN AUS LED-LEUCHTEN UND SOGAR LICHT ZUM ANZIEHEN – ALS WAS WÜRDEST DU DICH SELBST BEZEICHNEN?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich mit meiner Arbeit verschiedene Designbereiche berühre. Lichtdesigner passt wahrscheinlich am besten.

 

WIE KOMMT MAN DENN DARAUF, LICHTSKULPTUREN ZU ERSCHAFFEN? HAT DICH DAS THEMA LICHT SCHON IMMER BERÜHRT?

Das ergab sich mehr oder weniger zufällig. Ich habe für eine Weile bei Philips gearbeitet und war da vor allem in der Forschung tätig. Das war zu einer Zeit, als sich die LEDs gerade von Lichtpunkten zu echter Beleuchtung entwickelten.

 

DU KOMMST URSPRÜNGLICH AUS HALLE IN DEUTSCHLAND. WAS HAT DICH NACH LONDON VERSCHLAGEN?

Ich wollte einfach raus aus Deutschland. Ich bin im Osten aufgewachsen, und meine Erfahrung mit dem Kommunismus war nicht die beste. London war nicht ganz so weit weg und war deshalb eine der offensichtlicheren Lösungen für mich.

 

WIE ENTSTEHT SO EINE LICHTSKULPTUR? ERARBEITEST DU DEINE IDEEN ERST ÜBER DAS MATERIAL, DIE TECHNIK ODER WIRD ERST ENTSCHIEDEN, OB EINE REALISIERUNG ÜBERHAUPT MÖGLICH IST, WENN DER ENTWURF BEREITS STEHT?

Ich mache nie Objekte, die nicht realisierbar sind, weil ich einen technischen Hintergrund habe. Technik und Design gehen bei mir immer Hand in Hand. Ich designe nichts, was nicht möglich ist, dazu denke ich zu analytisch. Im Moment beschäftige ich mich zum Beispiel mit parametrischem Design. Trotzdem möchte ich nicht, dass beim Betrachter die Technologie im Vordergrund steht. Die Ästhetik und die Emotion, die eine Skulptur auslöst, sind immer noch die wichtigeren Aspekte, denn die verstehen die Leute als Erstes.

 

DU HAST BEREITS FÜR ZAHLREICHE UNTERNEHMEN KREATIVE LICHTLÖSUNGEN DESIGNT. FÜR AUDI HAST DU IN DEN LETZTEN JAHREN DIVERSE INSTALLATIONEN ENTWICKELT. WIE UNTERSCHEIDET SICH DEINE HERANGEHENSWEISE BEI DER ERSCHLIESSUNG SOLCHER KONZEPTE ZU DEINEN FREIEN ARBEITEN?

Das hängt stark davon ab, was die Kunden an mich herantragen. Manchmal haben sie schon ausgeformte Ideen und manchmal möchten sie, dass ich ihnen etwas vorschlage. Dann bringe ich Einfälle in ein Design ein, die mich sowieso gerade interessieren. Wichtig ist auch, was der Kunde mit dem Objekt kommunizieren will.

 

BLEIBEN WIR NOCH KURZ BEI AUDI. 2013 TRAT EINE GRUPPE VON TÄNZERN IN GENF IN LED-KOSTÜMEN VON DIR AUF. WILL.I.AM VON DEN BLACK EYED PEAS STAND SCHON IN EINER JACKE AUF DER BÜHNE, DIE MIT DEINEM LED-VIDEO-SYSTEM AUSGESTATTET WAR. SELBST BEI DER CLOSING CEREMONY DER OLYMPISCHEN SPIELE 2012 IN LONDON KONNTE MAN DEINE ENTWÜRFE SEHEN. WANN UND WIE IST DIE IDEE ENTSTANDEN, TRAGBARES LICHT ANZUFERTIGEN?

Das war Zufall. Ich habe eine Zeit lang als Consultant für Swarovski gearbeitet. Swarovski macht aber nicht nur Leuchten, sondern ist auch im Modebereich sehr engagiert. Nach ersten gemeinsamen Projekten sind auch Stylisten aus der Musikbranche auf mich aufmerksam geworden. Ich hatte auch schon bei Philips mit Wearable Electronics zu tun. Das ist nichts, was ich selber stärker verfolge, aber hin und wieder bekomme ich Anfragen von Künstlern. Das macht natürlich Spaß. Ich habe ja mit solchen Kunden sonst nie zu tun.

IST DAS DIE ZUKUNFT DER TEXTIL- UND MODEINDUSTRIE? WERDEN KLEIDUNGSSTÜCKE UND MATERIALIEN IMMER WEITER TECHNISIERT UND DIGITALISIERT?

Ich stehe dieser Entwicklung skeptisch gegenüber, eben weil ich mich mit dem Problem schon so lange beschäftige. Bis jetzt hat sich noch nicht viel getan. Es scheint allerdings eher an der Nachfrage zu scheitern als an der Technologie. Wenn ein Markt für solche Wearables existieren würde, gäbe es sie schon überall zu kaufen.

 

WANN HAST DU DAS LETZTE MAL MIT DER GUTEN ALTEN GLÜHBIRNE GEARBEITET?

Ich hatte eine Anfrage von einem Kunden, der wollte, dass ich die Wirkung der klassischen Glühlampe nachahme, bin aber an der Umsetzung gescheitert. Es ist unheimlich, schwierig diese Stimmung nachzuempfinden. Es gibt zwar Nachbildungen aus LEDs, die kommen dem Original aber allerhöchstens nahe: Das Licht ist nicht das gleiche. Ich verfolge mit großem Interesse, was Kollegen sich dahingehend einfallen lassen. Es ist schon kurios, dass sich so viele Menschen mit der neuen Technologie nicht anfreunden wollen.

 

IMMER MEHR UNTERNEHMEN BIETEN INTERAKTIVE APPS FÜR SMARTPHONES AN, MIT DENEN SICH DIE HEIMELEKTRONIK STEUERN LÄSST. EINIGE WOHNUNGEN SIND MIT EINER SOFTWARE AUSGESTATTET, DIE AUTOMATISCH ERKENNT, WER DEN RAUM BETRITT, UND REAGIEREN MIT VOREINGESTELLTER LICHTSTIMMUNG. WERDEN WIR IN ZWANZIG JAHREN NOCH LICHTSCHALTER HABEN?

Das ist auf jeden Fall ein Trend und ganz interessant zu sehen, wie verschiedene Unternehmen mit der Problematik umgehen. Meiner Meinung nach hat es bis jetzt aber noch keiner richtig gut gemacht. Da gibt es auf jeden Fall noch Möglichkeiten zur Verbesserung.

WIE WICHTIG IST DIR DIE BELEUCHTUNG IN DEN EIGENEN VIER WÄNDEN?

Wahrscheinlich weniger, als man es erwarten würde. Es ist das alte Dilemma: Beherrscht man ein Handwerk, kommt es im privaten Raum am wenigsten zum Einsatz.

 

WENN MAN DIR FÜR EINE SKULPTUR EIN UNBEGRENZTES BUDGET ZUR VERFÜGUNG STELLEN WÜRDE UND DU ABSOLUTE GESTALTUNGSFREIHEIT HÄTTEST, WIE WÜRDE EINE SOLCHE SKULPTUR AUSSEHEN UND WO WÜRDE SIE STEHEN?

Als ich in Venedig war, hatte ich mal die Idee, unter Wasser Lichtanimationen zu inszenieren. Mit der tollen Architektur ringsherum könnte das ganz gut funktionieren. /// www.waldemeyer.com

 

Interview: Felix Just

14. Februar 2017 Design m #47 zum mate.style.lab