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MALLORCA
auf den Pfaden der Schmuggler
5. Mai 2023

MALLORCA

Wer hätte es gedacht, dass die Lieblingsinsel der Deutschen es in nicht allzu ferner Vergangenheit zur Perfektion gebracht hatte, sich auf illegalen Wegen mit allerlei Genussmitteln versorgen zu lassen? Es war die Stunde der Seeschmuggler.

Bis in die 1990er-Jahre war der Schmuggel auf Mallorca ein sehr erträgliches Gewerbe. Gut organisierte Gruppen haben auf Schiffe gewartet, die in abgelegenen, oft steilen, nur schwer zu Fuß erreichbaren Buchten anlegten. Danach wurde die begehrte Ware (oft Alkohol und Zigaretten) ins Hinterland gebracht. Wir haben uns auf eine geführte Reise begeben, um der interessanten Schmugglertradition auf die Spur zu kommen.

Das Gesicht Mallorcas ist wahrlich sehr vielfältig: mondän und städtisch in der Hauptstadt Palma, saftig grün auf den Golfplätzen in der Inselmitte, sandig und oft karibisch anmutend an den Sandstränden im Süden und im Osten. Der gesamte Norden dagegen gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist bergig. Das Tramuntana-Gebirge mit seinem höchsten Gipfel, dem Puig Mayor, erreicht satte 1.445 Meter Höhe. Im Winter liegt hier regelmäßig Schnee. Ein ziemlich ungemütliches Terrain, dessen Stärke es ist, dass man hier unbeobachtet und ungestört unterwegs sein kann.

Eine der südlichsten Anlegestellen für die Schmuggler war die Region um das Dorf Banyalbufar. Über den sogenannten „Fischerweg“ wurden die Waren ins Landesinnere bis nach Palma transportiert. Der idyllische Ort ist bis heute für seine markanten Weinbauterrassen und angeblich schönsten Sonnenuntergänge bekannt. Von dort aus geht es entlang der Küste durch erfrischend duftende Pinienwälder. Der Pfad kann ab und an steil werden, Vorsicht ist geboten. Es lohnt sich, immer wieder bewusst anzuhalten, um den Meerblick und die Weite zu genießen.

Als eine sehr beliebte Anlegestelle für den Schmuggel galt außerdem die Halbinsel Sa Foradada. Dort konnte man je nach Windrichtung und Wellengang auf der Nord- beziehungsweise Südseite anlegen. Heutzutage findet man hier Ferienhäuser der Valldemossins, wie die Einwohner des berühmten Chopin-Dorfes Valdemossa genannt werden. Früher starteten von hier Fischer, um ihrer Hauptbeschäftigung nachzugehen – aber eben auch, um die Schmugglerware abzuholen. Sie bekamen dabei immer eine fixe Summe pro transportiertes Paket, unabhängig von dessen Inhalt. Oft wussten sie nicht, ob sie Tabak, Kaffee oder Mehl an Bord hatten, was ihre Begehrlichkeiten eindämmen sollte. Es ist eine geeignete Gegend, um bei warmem Wetter eine Badepause einzulegen.

Die Wanderung führt am Haus von Schauspieler Michael Douglas vorbei, der seit vielen Jahren auf Mallorca lebt. Im weiteren Verlauf erhascht man einen neugierigen Blick auf das imposante Privatgelände auch noch von oben. Ca. 77 Hektar Gesamtfläche, beste Uferlage, ein Weinberg, angeblich ganze zehn Schlafzimmer in einem Haus, das in der Vergangenheit dem Erzherzog Luis Salvador von Österreich gehörte. Es kann durchaus sein, dass der Pfad hier nicht nur bei Schmugglern, sondern auch noch bei Paparazzi sehr beliebt war.

Der Schmuggel hat sich in jedem Fall gelohnt. Ein ehemaliger Schwarzhändler aus dem Künstlerbergdorf Deia, das für viele Kenner der schönste Ort Mallorcas ist, erzählt uns, dass man während nur einer Nacht ein kleines Vermögen verdienen konnte: „Ich verdiente 7 Peseten am Tag als Wächter eines Landguts. Als Schmuggler dagegen bekam ich bis zu 100 Peseten – für nur eine Nacht!“. Es soll dabei keine Rolle gespielt haben, welche Ware grad auf seinen Schultern getragen wurde. Und es war Knochenarbeit: Jeder Sack wog um die 60 kg. Nichts für schwache Gestalten also.

Der Reiseführer lenkt unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf raffiniert mit Ästen oder Steinen zugedeckte Erdlöcher, die als Verstecke gedient haben. Wir genießen die Präsenz eines professionellen Guides sehr, und umso mehr, da er immer spannende Inselgeschichten zu erzählen weiß. Wir gewinnen außerdem das Gefühl, dass man die Strecke auch alleine oder zu zweit gut bewältigen könnte – genaue Wegbeschreibung, Trittsicherheit, Kondition und adäquate Kleidung vorausgesetzt.

 

Das alles braucht man auf jeden Fall, um eine sehr außergewöhnliche Etappe der Wanderung zu absolvieren: die „Torrent de Pareis“-Schlucht. Die 200 Meter hohen Felswände links und rechts stellen einen echten Höhepunkt dar. Ohne ab und zu große Steine vorausschauend zu erklettern, geht hier nichts. Die Belohnung erfolgt jedoch prompt: kleine Wasserfälle, kristallklare Miniseen, wilde Ziegen an mutmaßlich unzugänglichsten Stellen der Felsen. Man bestaunt ein herrliches Naturwunder, das auch schon von der UNESCO entdeckt und belohnt wurde. Hier sollen die Schmuggler entlanggegangen sein? Klar, sogar hauptsächlich hier. Die Pareis-Schlucht wurde als Hauptweg des Schmuggels genutzt. Das war auch der Grund, warum 1932 die Straße nach Sa Calobra gebaut wurde. So konnte die Guardia civil die Bucht besser überwachen. Heute ist die Stelle ein wahrer Hotspot für Wanderer, Badende und Yachtbesitzer.

 

Während des mehrtägigen Marsches stellt sich ein beflügelndes Gefühl ein, das von einer wunderbaren Mischung erzeugt wird: atemberaubende Landschaften, die Nähe zum Wald und dem Meer, eine überraschende Geschichte, die uns auf dem Pfad begleitet, geselliges Zusammensein am Tisch der Restaurants und Hotels, die wir auf der Strecke besuchen. Mallorca ist so viel mehr als nur der Strand am Ballermann. Man muss es nur sehen und erleben wollen. Der Schmugglerpfad eignet sich perfekt dafür.

 

Die Ruta del Contraban kann als Kleingruppenreise mit Guide oder individuell mit GPS und TRIPnotes gebucht werden. Das Programm ist inzwischen hervorragend ausgearbeitet und mit zahlreichen Wandererfahrungen bereichert worden.

 

Alle Informationen dazu auf www.rutacontraban.com. ///

 

Text: Hubert Lefarth