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LANZAROTE
Wo Timm Thaler sein Lachen verkaufte
2. Dezember 2017

LANZAROTE

Von Berlin geht es in vier Stunden nonstop in die Sonne. Selbst wenn diese trotz Regenwetter in Deutschland die Insel auch im November auf 28 Grad aufheizt, wirkt Lanzarote im ersten Moment grau und trist. Es ist schon vorgekommen, dass es mehrere Jahre nicht geregnet hat, und so entwickelte sich, anders als bei ihren großen Schwestern, kaum Flora auf der grauschwarzen Vulkaninsel.

Schon auf der kurzen Fahrt vom Flughafen zur Südspitze nach Playa Blanca beginnt man zu erahnen, dass die kleine Insel etwas Besonderes ist. Wir fahren durch Lavafelder und vorbei an Weinbergen. Die Bewohner Lanzarotes bedienen sich eines Tricks, um so weit südlich noch Wein kultivieren zu können: Sie bauen um die Rebstöcke kleine Windschutzwalle aus Lavasteinen. Der Lavaboden speichert das Wasser hervorragend und minimiert die Bewässerung – hervorragende Weißweine sind das Ergebnis. Die kleinen Dörfer haben einen ganz besonderen Charme: Alle Häuser auf der Insel sind weiß und meist einstöckig. Selbst in den größeren Orten und in der Hauptstadt darf maximal vierstöckig gebaut werden, und das auch nur, wenn zwei Stockwerke davon in Hanglage verschwinden. So unterscheidet sich Lanzarote auf den ersten Blick von beispielsweise deutschen Inseln wie Sylt. Sprachlich allerdings gibt es kaum Unterschiede. Alle Restaurants werben mit deutschen Namen und deutschen Karten, und überhaupt hört und sieht man auf Lanzarote Deutsch.

Auch in den Hotels wird Deutsch gesprochen. Wir werden von einer deutschen Mitarbeiterin im Princesa Yaiza freundlich begrüßt und auf ein paar Tapas in eines der vielen Restaurants gebeten, um uns zu stärken und die Weine der Insel zu probieren. Die Tapas entsprechen den vier Sternen des Hotels: Schmackhafte Jakobsmuscheln werden abgelöst von Bällchen aus Krebsfleisch, gefolgt von geschmorten Schweinebäckchen vom Iberico.

 

Der Pool ist nicht weit entfernt, und alles ist gut organisiert. Man hört kaum etwas, weder von dem Muskelhäschen, das die verzückten Damen zu Höchstformen auf der Poolnudel motiviert, noch von etwaigen Kindern. Die sind gar nicht zu sehen. Es ist doch aber ein Familien-Hotel? Eben gut organisiert! Die Familienunterkünfte liegen im Block D. Was nicht heißt, dass sie hinter Stacheldraht weggeschlossen sind, aber eben doch so weit entfernt, dass sie sich in ihrem eigenen Teil des großen Hotelareals vergnügen.

Das Luxushotel bietet verschiedene Restaurants mit den reichhaltigsten Frühstückbuffets, die man sich vorstellen kann. Sensationelle spanischen Schinken und Salamis, frische Früchte der Insel oder auch deutsche Leberwurst machen hier wirklich jeden satt und glücklich. Überhaupt sind die Restaurants der Glanz des Hotels. Der Tepanyaki-Koch ist ein wahrer Meister seiner Zunft. Er schafft es nicht nur, große Garnelen schmackhaft zu braten, sondern jongliert dabei sogar und wirft Eier hoch in die Luft, um sie mit dem Spatel wieder aufzufangen. Der Eierkuchen, den er daraus möglichst trocken zubereitet, wird auf Wunsch in kleinen Portionen katapultartig in die offenen Münder der Gäste geschossen. Damit kann er kulinarisch weniger punkten, aber der Unterhaltungswert verdient Anerkennung. Im Don Giovanni ist Heiner der Küchenchef: Ein geborener Gastronom, der einem jeden Wunsch von den Augen abliest, so meint man – bis er sich nach einem hervorragenden italienischen Mahl zu uns setzt und von seinem Hobby, der Fliegerei, erzählt. Fast wäre er Pilot geworden und ein Verlust für das Princesa.

 

Und so sind wir nun im Top-Restaurant gelandet, dem Isla de Lobos, dem Brillanten unter den Diamanten. Hier träumt man von einem Stern, was die Kreativität des Menüs auch nicht zu verheimlichen versucht. Unter der Leitung des 33-jährigen Victor Bossecker setzt der junge brasilianische Chefkoch im Isla de Lobos eine Form des Slow Food um. Dieses Label mag er zwar nicht, die Idee dahinter aber sehr wohl: lokale Produkte, kurze Transportwege, knackige Frische und absoluten Einfluss auf die Erzeugnisse – eine Art Null-Kilometer-Küche. Wie das gehen soll auf einer Insel? Ganz einfach: Man betreibt nicht nur ein Hotel, sondern auch gleich eine Finca, wo alles hergestellt wird. Alles? Wir überprüfen das mal.

 

Tatsächlich finden wir uns am nächsten Tag auf einem Vorzeigebauernhof wieder. Begleitet von Viktor probieren wir aromatischste Kräuter, Minze, Salbei, Thymian, gehen durch Salatbeete und Avocadostauden bis zu den Schweinen, die gerade gefüttert werden. Unter großem Gegrunze erklärt man uns stolz, dass diese süßen Schlappohren eine spezielle Kreuzung aus Iberico und schwarzem Schwein sind – nur für die Finca. Im nächsten Gehege stehen die Kühe. Dänische natürlich. Warum? Weil sie die beste Milch geben. Die Kühe sind nicht sehr ertragreich, aber die Milch qualitativ sehr hochwertig. Das ist nötig, da direkt neben dem Kuhstall die Käserei angeschlossen ist, wo sämtliche Kuh- und Ziegenkäse für das Restaurant und das Hotel produziert werden. Köstlich, wie wir feststellen dürfen.

Natürlich bietet Lanzarote neben kulinarischen Vergnügungen noch viel mehr. Im Norden gibt es hervorragende Surf-Spots, und selbst im südlichen Playa Blanca kann man als Anfänger vom Surfshop aus mit einer Truppe Surfer zu Tagesausflügen aufbrechen. Endlose Spaziergänge durch die karge Lavalandschaft sind möglich, im Nationalpark wird demonstriert, wie heiß die Erde sein kann. Ein Mitarbeiter hält einen trockenen Strauch in ein Erdloch, und binnen Sekunden geht dieser in Flammen auf. In kleine Löcher gießt er einen Eimer Wasser, der Sekunden später als riesiger Geysir explodiert. Gekrönt werden die Naturschauspiele im Restaurant des Parks: Hier liegen die toten Hühner einfach über einem Loch in der Erde, wo durch Kanäle die Hitze der Lava gebündelt austritt – original Lava-Broiler. Das Restaurant ist natürlich weiß und in einer besonderen retro-futuristischen Architektur gebaut worden, die an die Raumschiffe Orion und Hydra der Raumpatrouille erinnert. Wie eigentlich alle öffentlichen Bauwerke hier. Und das hat auch einen Grund. Der heißt nicht Allister McLane, sondern César Manrique: der große Baumeister, der Übervater Lanzarotes. Kein Satz der Reiseleitung, in dem er nicht mindestens einmal erwähnt, meist sogar gepriesen wird. Seinem großen Einfluss ist es zu verdanken, dass Lanzarote diesen besonderen Charme hat. Er hat die Regularien durchgesetzt und sich damit ein Denkmal geschaffen. Ein schönes, wie wir finden. Auf dem höchsten Punkt der Insel im Norden befindet sich eine Aussichtsplattform mit einem Restaurant – wieder in Weiß – mit den typischen Manrique-Rundungen, den weichen Eingängen und ovalen Fenstern. So verlockend schön, dass Timm Thaler im Film sein Lachen hierhin verkauft hat. /// www.turismolanzarote.com

 

Text & Fotos: Vasco Pridat

2. Dezember 2017 Travel m #49 zum mate.style.lab