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KARRIEREMESSE
STICKS & STONES
„Über 3 Milliarden Jobs weltweit stehen davor von Maschinen ersetzt zu werden. Es werden neue Jobs entstehen, aber nicht für jeden.“
13. April 2017

KARRIEREMESSE STICKS & STONES

„Bei der STICKS & STONES muss sich niemand fragen: ‚Sind diese Unternehmen LGBT*-freundlich oder nicht?‘ Wenn sie bei uns ausstellen – das reicht von Start-ups über mittelständische Unternehmen bis hin zum Großunternehmen – dann sind sie es.“ Die queere Karrieremesse von Stuart Cameron ist bereits in ihrem 8. Jahr und mit dem Umzug in den Nachtklub SchwuZ auch räumlich in der Community angekommen. Was sonst noch neu ist und warum er sich mehr geoutete Führungskräfte wünscht, verrät der Veranstalter im Interview.

 

ALS WIR UNS DAS LETZTE MAL VOR VIER JAHREN ZUM INTERVIEW GETROFFEN HABEN, HAST DU DIR GEWÜNSCHT, DASS MEHR UNTERNEHMEN SICH AUF IHREN WEBSITES ALS LGBT*-FREUNDLICHE ARBEITGEBER PRÄSENTIEREN. HAT’S GEKLAPPT?

Ja, es sind mehr geworden, aber immer noch zu wenige. Wir freuen uns, dass die STICKS & STONES zum Selbstläufer geworden ist und wir kaum noch Unternehmen überzeugen müssen. Wir haben aber nur Platz für 100 Unternehmen. Weitere ca. 200 Unternehmen sind uns als LGBTI freundlich bekannt. Es gibt aber alleine in Deutschland über 7.000 börsennotierte Unternehmen von denen die meisten sich noch nicht mit Diversity beschäftigen oder auch nur wissen, was LGBTI überhaupt bedeutet. Es bleibt also viel zu tun.

 

EINE AMERIKANISCHE STUDIE ATTESTIERT UNTERNEHMEN MIT EINER DIVERSITY-RECRUITING-POLITIK BIS ZU 15 PROZENT MEHR UMSATZ ALS SOLCHEN OHNE. GLAUBST DU AN DIESEN ZUSAMMENHANG?

Zum Teil. Ich glaube schon, dass ein Unternehmen mit hoher Diversity-Quote besser und innovativer ist. Und das wirkt sich natürlich auch auf den Umsatz aus. Die meisten Unternehmen verstehen aber nicht, wie man Diversity-Management richtig einsetzt. Bisher misst man den Diversity-Erfolg hauptsächlich am Frauenanteil im Unternehmen. Das ist zu kurz gedacht. Als wenn unterschiedliche Geschlechtsteile alleine schon einen Mehrwert mit sich bringen würde. Es geht um Erfahrungen, unterschiedliche Sichtweisen etc. Ansonsten wäre auch Apple nicht das wertvollste Unternehmen der Welt – und das ist hauptsächlich männlich und weiß. Gerademal 32% der MitarbeiterInnen sind Frauen. Ich würde Apple und andere Tech-Unternehmen dennoch als Diversity-Vorbilder sehen. Sie investieren mittlerweile sehr viel in Diversity – vor allem Geld. Facebook z.B. über 10 Million, Apple 50 Millionen, Google 150 Millionen, Intel 300 Millionen. Das macht bisher kein einziges deutsches Unternehmen. Deutschland ist zu langsam.

 

DIE STICKS & STONES IST SEIT UNSEREM LETZTEN GESPRÄCH MEHRMALS UMGEZOGEN. DIESES JAHR SEID IHR ERSTMALS IM BERLINER SCHWUZ – WIESO GERADE DORT?

Wir wollten ein klares Signal geben, dass sich die STICKS & STONES in erster Linie an Schwule und Lesben richtet. Das war in den letzten zwei Jahren nicht mehr so deutlich. Letztes Jahr gab es eine Situation, in der wir einen schwulen Gast aufklären mussten, dass sich die Sticks & Stones in erster Linie an LGBTI richtet. Als ich das erfahren habe, war mir klar, dass wir dringend wieder „back to the roots“ müssen und klarer formulieren, für wen wir die Messe und die Konferenz machen.

 

DIE MESSE KOMMT IN DIESEM JAHR AUSSERDEM MIT DEM TITEL „NEW CONCEPT. NEW LOCATION. STILL QUEER.“ DAHER. WAS IST DENN ALLES NEU?

Es gibt uns jetzt zwei Mal. Im Herbst sind wir auch in München. Zum anderen haben wir angefangen ein ganzjähriges Angebot zu schaffen für Leute, die Jobs suchen. Das bedeutet konkret, wenn du auf unserer Website deinen Lebenslauf hochlädst, können die Unternehmen jederzeit darauf zugreifen und dir einen Job anbieten. Der Kontakt ist damit nicht mehr auf die Messe begrenzt, obwohl es natürlich immer besser ist, den Unternehmen persönlich zu begegnen.

 

WÄHREND DER STICKS & STONES ZUKUNFTSKONFERENZ WERDEN DER ARBEITSPLATZ DER ZUKUNFT UND WEITERBILDUNGSMÖGLICHKEITEN BESPROCHEN. WIE SIEHT ER DENN AUS, DER ARBEITSPLATZ DER ZUKUNFT? GLAUBST DU, WIR MÜSSEN UNS IRGENDWANN VON DEM GEDANKEN EINES FESTEN GEOGRAFISCHEN ARBEITSPLATZES VERABSCHIEDEN?

Auf jeden Fall, aber das ist für mich nicht die dringendste Frage mit der wir uns beschäftigen sollten. In den nächsten 15 Jahren wird jeder zweite Schwule und jede zweite Lesbe Ihren Job verlieren – natürlich gilt das auch für Heteros. Über 3 Milliarden Jobs weltweit stehen davor von Maschinen ersetzt zu werden. Es werden neue Jobs entstehen, aber nicht für jeden. Darauf muss man sich vorbereiten. Jede Branche ist betroffen. Jobs, die weniger Nachdenken und Kreativität erfordern, sind stark gefährdet. Die Strukturen werden sich radikal verändern. Der geografische Arbeitsplatz wird hier zum Nebenschauplatz. Daher haben wir die Zukunftskonferenz auf der STICKS & STONES ins Leben gerufen. Wir wollen die LGBTI Community bestmöglich vorbereiten.

 

DU ORGANISIERST NICHT NUR DIE STICKS & STONES, SONDERN AUCH DAS KARRIERE-NETZWERK PANDA FÜR FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN SOWIE DIE TECH-MESSE #UNIT. UND JETZT VERANSTALTEST DU AUCH NOCH RAHM, DEN WELTWEIT ERSTEN LGBT* LEADERSHIP CONTEST. WAS ERWARTET DIE TEILNEHMER?

Seit Jahren vermisse ich LGBTI-Vorbilder in der Wirtschaft und in der Politik. Dabei brauchen wir sie dringend: Über 50% der Schwulen und Lesben sind am Arbeitsplatz noch versteckt. Diese Zahl stagniert seit Jahren. Das Versteckspiel muss aufhören. Gerade für angehende Führungskräfte ist es wichtig zu sehen, dass man geoutet ist und Karriere machen kann. Hauptgründe für das Versteckspiel sind Angst vor Zurückweisung, fehlende Unterstützung im Unternehmen und fehlende Vorbilder. Genau hier setzen wir mit RAHM an. Wir suchen die weltweit 100 besten Nachwuchsführungskräfte und bringen Sie mit Top-Executives zusammen. Das alles findet im Rahmen eines Wettbewerbs statt, in dem die TeilnehmerInnen mehr über sich lernen, sich weiterentwickeln, netzwerken und feiern.

 

WORAUF ACHTEST DU DENN, WENN DU JEMANDEN EINSTELLST?

Dass die Person auf jeden Fall in irgendwelchen Bereichen besser ist als ich, dass ihr unsere Projekte wirklich Spaß machen und sie sich mit unserer Thematik identifizieren kann. Egal ob hetero oder homo. Jetzt gerade kann ich sagen, dass ich sehr happy bin mit meinem Team. Ich gebe aber zu, dass ich als Führungskraft noch viel lernen muss und nicht immer den richtigen Riecher habe. Wäre aber auch traurig, wenn ich nichts mehr dazulernen würde. /// 27.5., Sticks & Stones 2017 Berlin Edition, Schwuz & Vollgutlager, www.sticks-and-stones.com, 21.7., RAHM 2017 / Google, www.rahm.ceo

 

Interview: Felix Just