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VISIONEN, UNTERHOSEN
UND NACKTE MATHELEHRER
„Ich weiß nicht, ob europäische Männer experimentierfreudiger sind, aber sie haben ein besseres Verständnis für Design und Qualität.“
26. Juni 2016

VISIONEN, UNTERHOSEN UND NACKTE MATHELEHRER

Das New Yorker Label des ehemaligen Bademodenbeauftragten von Victoria’s Secret weiß mit aufwendig produzierten Kampagnen für Publictiy zu sorgen und so die Absätze in die Höhe zu treiben: Über Nacht wurde Pietro Boselli als „Sexiest Teacher Alive“ und Supermodel berühmt. Einer seiner Schützlinge am University College in London postete über das Doppelleben des Mathedozentens auf Facebook und verhalf ihm so zu weltweiter Aufmerksamkeit der Boulevardblätter, aber auch diverser Modemarken. Kurze Zeit später sah man ihn in den Badehosen von Charlie by Matthew Zink posieren. Dabei war der Image-Boost Bosellis für das Label sogar Zufall. Wir sprachen mit Gründer und Designer Matthew Zink über die Zusammenarbeit mit dem gut gebauten Dozenten und seine Meinung zu Boxershorts.

DU WARST LANGE ZEIT DESIGN DIRECTOR FÜR DIE BADEMODENKOLLEKTION VON VICTORIA’S SECRET. WIESO HAST DU DICH ENTSCHIEDEN, DAS UNTERNEHMEN ZU VERLASSEN UND DEIN EIGENES LABEL ZU GRÜNDEN?

Ich habe fünf Jahre lang für Victoria’s Secret gearbeitet – eine tolle Institution und eine Ikone der amerikanischen Modewelt –, aber ich hatte meinen eigenen Stil entwickelt. Ich hatte als Designer plötzlich eine Stimme. Die Arbeit für Victoria’s Secret und mein Leben in New York haben dazu beigetragen. Es war für mich an der Zeit, etwas Eigenes zu schaffen. Ich habe über die Jahre eine kleine Bibliothek von Musen und Mentoren aufgebaut, denen ich in meinen Entwürfen Tribut zollen wollte. Besonders was Männerunterwäsche anbelangt, gab es eine Lücke auf dem Markt, die ich nun zu schließen versuche.

 

WENN WIR SCHON VON MUSEN UND INSPIRATION SPRECHEN: VIELE DEINER TEILE BEDIENEN SICH ANLEIHEN AUS DEN 1970ER- UND 1980ER-JAHREN. WORIN IST DEINE FASZINATION FÜR DIESE ÄRA BEGRÜNDET?

Ich selbst bin 1981 geboren worden, meine Beziehung zu den 1970er- und 1980er-Jahren ist also eher forscherischer Natur. Durch Filme und Bücher habe ich mir einen Zugang zu dieser Zeit verschafft. Was mich daran so fasziniert? Die Ästhetik war schlicht und hatte eine unverdorbene Sinnlichkeit, die es so heute nicht gibt. Sie war nicht ironisch und nicht kompliziert. Es ging auch nie um das Label, sondern immer um die Menschen, die sie getragen haben. Matthew Caulfield oder Tom Selleck zum Beispiel.

 

GLAUBST DU DIE EUROPÄISCHEN SCHLÜPFERTRÄGER SIND EXPERIMENTIERFREUDIGER ALS AMERIKANER?

Europäer haben Amerikanern gegenüber einen unglaublichen Vorteil: Sie wachsen in einer Welt auf, die viele Kulturen auf engstem Raum vereint. Wenn du in Deutschland lebst, ist es ein Katzensprung bis nach Spanien, Frankreich oder England. Außerdem blickt Europa auf eine viel längere Geschichte in der Kleidungsindustrie zurück. Die Menschen sind mit wunderschön verarbeiteten Sachen groß geworden. Sie haben sie an ihren Großeltern gesehen, an ihren Müttern und Vätern. Ich weiß nicht, ob europäische Männer experimentierfreudiger sind, aber sie haben ein besseres Verständnis für Design und Qualität.

 

WAS HÄLTST DU VON BOXERSHORTS?

Wenn du mal alte Männermagazine durchblätterst, wirst du feststellen, dass die Models oft ultraknappe und quietschbunte Briefs und Speedos trugen. Es ging darum, den männlichen Körper so, wie er ist, und in der Blüte seiner Jahre zu zelebrieren und ihn nicht ins Unkenntliche zu bearbeiten. Männer trugen Briefs und knappe Shorts. Was den kulturellen Wandel bewirkt hat, und warum Unterwäsche heute wieder länger ist – und weniger maskulin, wie ich finde – kann ich nicht erklären.

 

TEIL DES ERFOLGES VON CHARLIE SIND DIE AUFWENDIG PRODUZIERTEN KAMPAGNENFOTOS, MIT DENEN DU FÜR DEINE MARKE WIRBST. INWIEWEIT BIST DU IN DIESEN PROZESS INVOLVIERT?

Wir fotografieren alle unsere Kampagnen inhouse und seit dem Launch von Charlie mit demselben Team. Der kreative Prozess wird von mir und meinem Art Director gestaltet. Zunächst entwerfe ich eine Kollektion, die immer eine bestimmte Fantasie bedient. Mit dieser gehe ich auf Luis Cintron zu, der dann einen visuellen Rahmen für die Teile schafft. Er entwirft das Set, überlegt sich die Lichteinstellungen und so weiter. Die Post Production wickeln wir dann gemeinsam ab. Wir haben zwar einen Fotografen, aber der fungiert eher als Techniker. Er ist die Kamera, wir sind die Kreativen.

IM FRÜHJAHR DIESES JAHRES WURDE AUS DEM MATHEDOZENTEN PIETRO BOSELLI DANK EINES POSTS EINES SEINER STUDENTEN UND DER GEBALLTEN KRAFT DES INTERNETS ÜBER NACHT „THE SEXIEST TEACHER ALIVE“. SPÄTER SAH MAN IHN AUCH IN KAMPAGNENFOTOS VON CHARLIE. DABEI HABT IHR IHN URSPRÜNGLICH GAR NICHT WEGEN SEINES PLÖTZLICHEN ERFOLGES GEBUCHT, ODER?

Richtig. Wir hatten Pietro bereits gebucht, bevor er zum Phänomen wurde. Wir waren auf der Suche nach einem neuen Gesicht für Charlie; den Charlie-Boy. Ich sah Pietro in einem Magazin und mochte seinen Look. Wir haben zwar nach seinem „Outing“ als Mathedozenten mit Nebenjob unser ursprüngliches Konzept beibehalten, aber es noch um das Thema „Headmaster“ erweitert – einer Art Lehrerfantasie.

 

WEN WÜRDEST DU SONST NOCH GERN IN DEINEN DESIGNS SEHEN?

Wie viel Zeit hast du denn? (lacht)

 

GIBT ES JEMANDEN, DER DAS CHARLIE-GEFÜHL TOLL TRANSPORTIEREN KÖNNTE?

Es gibt auf jeden Fall eine ganze Menge Leute, die das könnten. Ich fühle mich aber am ehesten von den Menschen inspiriert, die unsere Produkte kaufen. Ich poste ständig Bilder unserer Fans auf Instagram. Das sind echte Menschen aus der ganzen Welt. Sie teilen ihre Urlaube mit mir, ihre Träume und ihren Körper. Das ist eine ganz tiefe Erfahrung für mich und ein tolles Feedback als Designer.

WAS BRAUCHT ES, UM ERFOLGREICH EIN NEUES LABEL ZU LAUNCHEN?

Eine Vision, eine gut funktionierende Partnerschaft und den perfekten Sitz. Du musst in der Lage sein, ein Bild oder ein einziges Kleidungsstück zu zeigen, und dem Betrachter muss sofort klar sein, was du mit deinem Label sagen willst. Man muss in ihm das Gefühl auslösen, mehr sehen zu wollen. Aufmerksamkeit zu erregen ist heute gar nicht so einfach. Hat man aber einmal das Interesse des Kunden geweckt, hat man besser ein vernünftiges Produkt vorzuweisen. Was die gut funktionierende Partnerschaft anbelangt, spreche ich von der Partnerschaft mit den Produzenten. Deine Idee kann noch so genial sein, aber wenn du niemanden hast, der sie umsetzen kann, wird sie nicht funktionieren. Und zu guter Letzt: der Sitz. Du musst wissen, wie deine Teile am Körper aussehen und wie sie sitzen. Gerade bei Unterwäsche ist der Sitz unheimlich wichtig.

 

WORAN ERKENNE ICH GUT GEMACHTE UNTERWÄSCHE?

Ich würde immer als Erstes auf den Stoff achten. Unterwäsche ist kein besonders großes Kleidungsstück und so nah am Körper, da ist die Qualität des Textils entscheidend. Kauf nur Unterwäsche, die sich auch gut anfühlt und nicht nur gut aussieht. / www.charliebymz.com

 

Interview: Felix Just