-
-
-
 
VIA CAPRICORN
Tierisch gute Kulisse
23. April 2025

VIA CAPRICORN

So geht Arbeitsteilung: Alle liegen faul in der Sonne, einer steht Schmiere; und stößt einen schrillen Pfiff aus, wenn etwas die Ruhe zu stören droht. Das kann ein Greifvogel sein, eine Herde Kühe oder einer der wenigen Wanderer, die auf der Via Capricorn im Schweizer Kanton Graubünden unterwegs sind.

Foto: Nico Schärer

Eigentlich könnte die Via Capricorn, benannt nach dem rätoromanischen Wort für Steinbock, Via Marmota heißen: der Weg der Murmeltiere. Unterwegs gerät man fast mit Sicherheit in eine ihrer Kolonien. Die Steinböcke hingegen thronen hoch oben in den Felsen und beobachten die Wanderer bestenfalls mit Gleichgültigkeit und aus der Ferne. Murmeltiere sind wahre Meister der Selbstinszenierung. Kaum betritt man ihre Alm, ertönt ein schriller Pfiff vom Wachmurmeltier, gefolgt von einer aufgeregten Flucht in alle Richtungen. Eine eigentlich alberne Hektik. Die meisten Urlauber würden die niedlichen Nagetiere wohl höchstens an ihrem in die Sonne gestreckten Bauch kraulen. Während der Jagdsaison im Herbst ist die Gefahr allerdings real, denn Murmeltiere vermehren sich fleißig, können ganze Almwiesen unterhöhlen und dürfen deshalb in einem kurzen Zeitraum bejagt werden. Kleiner Tipp für Freunde der außergewöhnlichen Kulinarik oder Gelenkpflege: in einigen Berggasthöfen landen die erlegten Tiere im Ragout. Und aus ihrem Fett kann eine Salbe hergestellt werden, die bei Gelenkschmerzen hilfreich sein soll.

DREI TAGE WILDNIS

Nach den ersten Kilometern auf der Via Capricorn haben die meisten Wanderer ihre Begeisterung für die heimlichen Stars der heimischen Tierwelt hinter sich gelassen und konzentrieren sich auf den Weg und die Berge. Die Via Capricorn führt in drei Tagesetappen durch die stille, raue und meist sehr einsame Bergwelt des Naturparks Beverin. An vielen Tagen begegnet man hier keinem oder nur sehr wenigen anderen Wanderern. Der Park und seine Wege liegen weit abseits der großen Touristenströme. Dramatische Felsformationen und weite Wiesen bestimmen das Bergerlebnis – und das Gefühl, mit jedem Schritt ein Stück ursprünglicher Natur zu entdecken.

Mit insgesamt rund 45 Kilometern Strecke und teils anspruchsvollen Anstiegen ist die Tour kein Spaziergang; auch deshalb, weil man das Gepäck für drei Tage mit sich trägt. Der spektakulärste Abschnitt liegt zwischen Wergenstein und Safien, mit einem steilen Anstieg auf über 2.600 Meter Höhe. Und hier, auf den offenen Hochflächen, durchquert man das Revier der Steinböcke. In der klaren Morgenluft lassen sich mit etwas Glück ganze Gruppen beobachten, die leichtfüßig über die Felsen klettern oder in der Sonne etwas Wärme tanken. Wer Pech hat bei der Fotojagd, findet an einem der Infopunkte entlang des Weges eine Kiste mit lehrreichen Steinbock-Utensilien; darunter ein originales Horn für ein Capricorn-Selfie.

TINY HOUSE MIT WEITBLICK

Entlang der Route gibt es verschiedene, einfache Berggasthäuser mit Einzel- bis Mehrbettzimmern. Deutlich mehr Privatsphäre finden Wanderer ein kleines Stück abseits des Weges in der Pensiun Laresch in Mathon. Auf dem Hotelgelände etwas oberhalb des Dorfkerns steht ein Tiny House mit großen Glasflächen für einen freien Blick in die weite Bergwelt oder den nächtlichen Sternenhimmel. In dem minimalistisch eingerichteten Holzhaus auf kleinster Fläche gibt es ein Bad und einen offenen Wohnbereich mit Küchenzeile. Geschlafen wird unter dem Dach. Wer nicht kochen möchte, wechselt für die Mahlzeiten in das nahe gelegene Haupthaus; laresch.ch

GIPFELSTURM

Nach drei Tagen Wanderung um den Piz Beverin, den Namensgeber des Nationalparks, sollte man noch einen weiteren Tag für einen Aufstieg auf den Gipfel einplanen. Die Pensiun Laresch ist dafür der perfekte Ausgangspunkt. Von hier sind es noch knapp 1500 Höhenmeter bis auf die Spitze der markanten Felspyramide. Der Berg zählt mit seinen knapp dreitausend Metern nicht zu den höchsten Schweizer Bergen – aber zu den schönsten. Und die Aussichten sind grandios. Wer vorher auf der Via Capricorn gewandert ist, kann von hier oben fast alle Abschnitte des Weges wiederentdecken und mit dem Auge nachwandern.

HOT TUG

Untertauchen für Einsteiger: Ein Bad im Bergsee – für die meisten Menschen ist das schon im Hochsommer eine eisige Herausforderung. Vor allem, wenn es mehr sein soll, als einmal kurz untertauchen. Im Brienzersee, südöstlich der Schweizer Hauptstadt Bern, kann man selbst im tiefsten Winter stundenlang gemütlich im See liegen. Vorausgesetzt, man wirft ab und zu einen Scheit Holz in den Ofen. Die kleine Brennkammer ist aus Edelstahl und hängt im Wasser. Aber nicht im See, sondern im Inneren eines bis fast zum Rand mit klarem Wasser gefüllten Bootes, des sogenannten Hot Tugs. Angetrieben wird die unsinkbare Badewanne mit einem fast lautlosen Elektromotor. Je nach Wind kann man so mit drei bis vier Kilometern pro Stunde über den See schippern.

Bei Mietbeginn ist das frische Wasser in den Booten auf 38 Grad erwärmt. Während der Fahrt kühlt es am hinteren Ende langsam aus, während es in der Nähe des Ofens deutlich wärmer wird. Die meisten Hobby-Kapitäne fahren deshalb immer mal wieder eine steile Kurve, denn bei Kreisfahrt erzeugt man eine Art Strudel im Inneren des Bootes und sorgt so für einen Temperaturausgleich. Und wenn es zu heiß wird? Dann springt man zur Abkühlung kurz den eiskalten See. Besonders klimafreundlich erreicht man den Bootsverleih Pirate Bay mit Bahn: Der kleine Hafen ist nur wenige Schritte vom Bahnhof Brienz entfernt; www.pirate-bay.ch

THE BRECON

Abtauchen für Fortgeschrittene: Kein Alphorn, kein Edelweiß. Der übliche Schmuck Schweizer Berggasthöfe musste vor der Generalsanierung des The Brecon im Berner Oberland dauerhaft auschecken. Eingezogen ist stattdessen die klassische Moderne der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts – und englisches Understatement. In der Schweiz heißen Hotels oft Eiger, Jungfrau, Bellevue oder Regina. Und viele von ihnen ähneln sich im Innern. Mehr Kreativität bei der Namensgebung – und der Innenarchitektur – bewiesen die Besitzer eines frisch umgebauten Hotels in Adelboden und nannten es The Brecon. Das klingt nach knusprigem Speck; der Name ist aber den Brecon Beacons entlehnt, einem Nationalpark in Wales.

Natürliche Materialien wie Stein, Holz, Leder und Wolle bestimmen die Inneneinrichtung, die an die Blütezeit des Hotels in den 1950er- und 60er-Jahren erinnern soll. Geändert hat sich das Konzept. Das ausschließlich für Erwachsene gedachte Hotel ist All-inclusive. Selbst die Minibar in den Zimmern und Suiten sowie alle Speisen und Getränke sind im Übernachtungspreis inbegriffen. Der Mitbegründer Grant Maunder sagt, er wolle seinen Gästen das Gefühl vermitteln, im Haus eines großzügigen Freundes zu übernachten. Viel Privatsphäre und die Möglichkeit abzutauchen inklusive. ///

Text & Fotos: Carsten Heider