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TREE HOUSES
„Es scheint, hätte man als Architekt bereits ein Baumhaus geschaffen, kommt man nicht umhin, ein zweites, drittes und mehr zu entwerfen. Baumhausmanie?“
18. Oktober 2016

TREE HOUSES

Das Konzept einer Behausung über dem Boden und im Geäst der Bäume existiert nicht erst seit gestern. Seit Menschengedenken gibt es vielfältig geartete Baumhäuser und verwandte Ideen. Sie erwecken Gefühle nicht nur von Freiheit und Grenzenlosigkeit, sondern auch von Geborgenheit und nicht zuletzt des Beschütztseins.

 

Urvölker Südamerikas und Südostasiens machen sich die Vorteile eines solchen Obdachs in der Dichte des Blätterwerks der Bäume seit Jahrhunderten zunutze. Baumhäuser sind außer Reichweite von Angriffen befeindeter Stämme und Raubtiere, sie schützen Nahrungsvorräte vor Dieben tierischer und menschlicher Art – und nicht zu vergessen: Sie sind erhaben über allerlei Gekreuch und Gefleuch am Boden des Dschungels. Der Korowai-Stamm in Papua-Neuguinea errichtet Baumhäuser sogar in Höhen von bis zu vierzig Metern! Auch in der westlichen Welt ist die Idee vom Baumhaus schon lange bekannt, aber erst im 16. Jahrhundert erlebte das Konzept einen Boom. In Frankreich und besonders in Großbritannien war es plötzlich überaus chic, seinen Tee neben Vogelnestern und reifen Äpfeln einzunehmen. Queen Elizabeth II. verbrachte später sogar ihre Flitterwochen in einem Baumhaushotel. Von solchen Baumhäusern für die Unterbringung von Touristen und von den skurrilsten Konstrukten seiner Art berichtet „Tree Houses“, erschienen im TASCHEN Verlag. Fantastische Fotos wechseln sich ab mit Illustrationen des kalifornischen Künstler Patrick Hruby, der die mitunter waghalsige Architektur in bunten Bildern festhält. Es ist eine Reise um die Welt und in die Wipfel dieser Erde. Erklärt und berichtet wird von Autor Philip Jodidio. Der ist kein Unbekannter im TASCHEN Verlag und hat mit seiner Reihe „Architecture Now!“ bereits bewiesen, dass er zu Recht als Koryphäe auf dem Gebiet der beschriebenen Architektur gilt.

UFO TREE HOTEL

Harads, Schweden

Halb hängt es, halb schwebt es davon. Die Schweden sind bekannt für ihre Vorliebe (und den notwendigen Ideenreichtum) für ungewöhnliche Herbergen. Im Mälaren-See, in Västerås, treibt eines der ersten dauerhaft stationierten Unterwasserhotels überhaupt. Der verantwortliche Künstler Mikael Genberg eröffnete erst vor kurzem einen Ableger der Sansibar-Insel Pemba. Aufgrund der dort herrschenden Fauna sicher das reizvollere Ziel. Beide Häuser sind mit großzügigen Fenstern ausgestattet. Das UFO-Baumhaus aus der Feder von Bertil Harström ist nicht das einzige Hotel in den Bäumen in Schweden. Harström ist unter anderem noch für das Bird’s Nest, eine Art überdimensionales Vogelnest, verantwortlich. Mit dem Mirrorcube von Tham & Videgard steht in Nordschweden eines der ungewöhnlichsten Baumhäuser überhaupt: Der Würfel ist an allen Seiten und selbst von unten mit Spiegelflächen verkleidet und im Dickicht der Blätter kaum auszumachen. Das UFO von Harström dagegen will gesehen werden. Es ist Teil eines ganzen Baumhaus-Hotelkomplexes in Harads, Nordschweden. Es verfügt über zwei Schlafzimmer, ein Bad und einen gemeinschaftlichen Wohnbereich. Anders als die meisten Baumhäuser steht es nicht auf Streben, sondern wird von Drahtseilen gehalten, die von den umstehenden Bäumen hängen.

 

FREE SPIRIT SPHERES

Qualicum Bay, Kanada

Volle Kraft voraus! Irgendwie erinnert das Schwingen in den Wipfeln der Bäume an Seegang und das Schwanken an Bord eines Schiffes – muss sich auch Architekt Tom Chudleigh gedacht haben, als ihm die Idee zu den Free Spirit Spheres kam. Vielleicht war er sogar gerade an Bord eines Schiffes? Wie auch immer … Die runden Baumhäuser haben maritimen Charakter und sind mit Sicherheit die einzigen Kugeln, die das ganze Jahr Hängeberechtigung haben. Das kugelförmige Baumhaus besteht wie Kajaks oder Kanus aus Zedernleisten, und wie Wanten am Mast hängen die Treppen gerade vom Baum herunter auf den Boden. Um das Spiel mit Seefahrtanleihen auf die Spitze zu treiben, sind die Free Spirit Spheres – von denen es auf Vancouver Island im kanadischen British Columbia übrigens gleich drei Stück gibt – auch noch mit Yachteinbauten ausgestattet. Die Kugeln können in Höhen von 1,50 bis 30 Metern aufgehängt werden und sind aufgrund ihrer starken Dämmung bis zu minus 20 Grad nutzbar.

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TEAHOUSE TETSU

Hokuto, Japan

Es scheint, hätte man als Architekt bereits ein Baumhaus geschaffen, kommt man nicht umhin, ein zweites, drittes und mehr zu entwerfen. Baumhausmanie? Was immer es ist, viele der in „Tree Houses“ vorgestellten Architekten sind gleich mehrmals vertreten, oder weitere Blüten ihres Geistes werden zumindest erwähnt. Terunobu Fujimori ist so ein Wiederholungstäter und hat bereits 2004 im japanischen Chino ein im Vergleich zu seinem Nachfolger fast schon stiefmütterlich designtes Baumhaus gebaut. Beide gemein haben das Takasugi-an in Chino und das ein Jahr später errichtete Teahouse Tetsu den künstlichen Stamm, auf dem sie stehen. Beide sind mit einem Dach aus Kupferblech versehen, und beide dienen als Ruheort und Teehaus. Traditionellerweise hat ein solches japanisches Teehaus mindestens zwei Räume und einen Vorgarten, in dem schon vor dem Betreten des Hauses die Erleuchtung einsetzen soll. Fujimoris Gebäude kann weder das eine noch das andere vorweisen, erleuchtet den Gast aber mit dem direkten Blick auf die berühmte japanische Kirschblüte. /// www.taschen.com

 

Text: Felix Just

18. Oktober 2016 Design m #43 zum mate.style.lab